Mantel, Hilary
sie in ihre leeren Häuser zurück
und legten sich auf den Boden, denn sie hatten ihre Betten verbrannt, und als
sie am nächsten Tag aufstanden, hatten sie Schmerzen von dem harten Boden und
es gab keinen Tisch für ihr Frühstück, denn sie hatten den Tisch benutzt, um
das Feuer zu nähren, und sie hatten keinen Hocker zum Sitzen, weil sie ihn in Stücke
gehackt hatten, und es gab kein Brot zum Essen, weil die Bäcker die Schüsseln
und die Hefe und das Mehl und die Waagen in die Flammen geworfen hatten. Und
weißt du, was das Schlimmste daran war? Sie waren nüchtern. Am Abend hatten sie
ihre Weinschläuche genommen ...« Er schwenkt seinen Arm und ahmt einen Mann
nach, der etwas in ein Feuer wirft. »Deshalb waren sie nüchtern und hatten
einen klaren Kopf, aber sie sahen sich um und hatten nichts zu essen, nichts zu
trinken und nichts, um darauf zu sitzen.«
»Aber das war nicht das
Schlimmste. Du hast gesagt, die Spiegel wären des Schlimmste. Wenn man sich
nicht selbst ansehen kann.«
»Ja. Das denke ich jedenfalls.
Ich hoffe, ich kann mir immer ins Gesicht sehen. Und du, Johane, du solltest
immer einen schönen Spiegel haben, um dich zu sehen. Denn du bist eine Frau,
die anzusehen sich lohnt.«
Du könntest ein Sonett
schreiben, Thomas Wyatt könnte ihr ein Sonett schreiben und nicht diese
Wirkung erzielen ... Sie wendet den Kopf ab, aber durch den zarten Film ihres
Schleiers kann er ihre Haut leuchten sehen. Frauen bitten immer: Erzähl mir
etwas, irgendetwas, sag mir, was du denkst; und das hat er getan.
Sie trennen sich als Freunde.
Es gelingt ihnen sogar ohne ein letztes Mal als Erinnerung an alte Zeiten.
Nicht dass sie wirklich getrennt sind, aber ihr Verhältnis ist jetzt ein
anderes. Mercy sagt: »Thomas, selbst wenn du kalt bist und unter einem Stein
liegst, wird es dir noch gelingen, dich aus deinem Grab herauszureden.«
Der Haushalt ist ruhig,
friedlich. Der Aufruhr der Stadt bleibt hinter dem verschlossenen Tor; er
lässt die Schlösser erneuern, die Ketten verstärken. Jo bringt ihm ein Osterei.
»Hier, das haben wir für Sie aufbewahrt.« Es ist ein weißes Ei, nicht
gesprenkelt. Es hat keine Gesichtszüge, aber eine einzelne Locke von der Farbe
einer Zwiebelhaut lugt unter einer schief sitzenden Krone hervor. Du wählst
deinen Fürsten aus, und du weißt, was er ist: oder nicht?
Das Kind sagt: »Meine Mutter
schickt eine Botschaft: Sag deinem Onkel, dass ich als Geschenk gerne einen
Trinkbecher aus der Schale eines Greifeneis hätte. Das ist ein Löwe mit dem
Kopf und den Flügeln eines Vogels; er ist ausgestorben, also kann man ihn
nicht mehr bekommen.«
Er sagt: »Frag sie, welche Farbe sie möchte.« Jo drückt
ihm einen Kuss auf die Wange.
Er sieht in den Spiegel, und
der ganze helle Raum wird zurückgeworfen: Lauten, Porträts, Seidenbehänge. In
Rom gab es einen Bankier namens Agostino Chigi. In Siena, wo er herkam,
behauptete man, er wäre der reichste Mann der Welt. Als Agostino den Papst zum
Abendessen bei sich hatte, servierte er ihm das Essen auf goldenen Tellern.
Dann betrachtete er die Folgen - die herumlümmelnden, gesättigten Kardinäle,
die Unordnung, die sie hinterlassen hatten, die halb abgenagten Knochen und
Fischgräten, die Austern- und Orangenschalen - und er sagte: Scheiß drauf,
sparen wir uns das Abwaschen.
Die Gäste warfen ihre Teller
aus den offenen Fenstern direkt in den Tiber. Die besudelte Tischwäsche flog
hinterher, wobei die weißen Servietten hinunterflatterten wie gierige Möwen,
die nach Speiseresten tauchen. Salven von römischem Gelächter ergossen sich in
die römische Nacht.
Chigi hatte das Ufer mit
Netzen ausgelegt, und Taucher standen bereit, falls etwas danebengegangen sein
sollte. Ein scharfsichtiger Diener aus seinem Haushalt stand am Ufer, als die
Dämmerung hereinbrach, kontrollierte alles mit einer Liste und markierte jeden
geborgenen Gegenstand mit einer Nadel, sobald er aus der Tiefe kam.
1531: Es ist der Sommer des
Kometen. In der langen Dämmerung spazieren Herren in schwarzen Roben unter der
Rundung des aufgehenden Mondes und dem Licht des merkwürdigen neuen Sterns Arm
in Arm im Garten umher und sprechen von der Erlösung. Es sind Thomas Cranmer,
Hugh Latimer und die Priester und Schreiber aus Annes Haushalt; der Wind eines
theologischen Geplänkels hat sie losgemacht und nach Austin Friars verschlagen:
An welchem Punkt ist die Kirche in die Irre gegangen? Wie können wir sie wieder
auf den richtigen Weg bringen? »Es wäre
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