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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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Lavendel. Im
Schatten sind ihre Diamanten so kühl wie Regentropfen. »Der König der Outlaws
wird inzwischen wieder da sein. Wir sollten besser zu ihm gehen.« Sie streckt
sich.
    Die Ernte wird eingebracht.
Die Nächte sind violett, und der Komet scheint über den Stoppelfeldern. Die
Jäger rufen die Hunde herein. Nach dem Heiligkreuztag sind die Hirsche in
Sicherheit. Als  er Kind war, war dies die Zeit, zu der die Jungen, die den
ganzen Sommer wild auf der Heide gelebt hatten, nach Hause gingen und ihren
Frieden mit den Vätern machten. Sie kamen an einem Erntetag zum Abendessen
angeschlichen, wenn die Gemeinde reichlich zu trinken hatte. Seit kurz vor
Pfingsten hatten sie irgendwo Nahrung aufgestöbert oder trickreich erbettelt,
sie hatten Vögel und Hasen mit Fallen gefangen und in einem eisernen Topf
gekocht, sie hatten alle Mädchen, denen sie begegnet waren, verfolgt, bis
diese schreiend zu Hause ankamen, und in nassen und kalten Nächten hatten sie
sich in Nebengebäude und Scheunen geschlichen, um sich durch Singen und das
Erzählen von Witzen und Rätseln warmzuhalten. Wenn diese Saison vorbei war, kam
die Zeit, in der er den Kochtopf verkaufte, von Tür zu Tür ging und seine Verdienste
anpries. »Dieser Topf ist nie leer«, behauptete er dann. »Wenn Sie ein paar
Fischköpfe haben, brauchen Sie die nur reinzuwerfen, und schon schwimmt da ein
Heilbutt.«
    »Hat er Löcher?«
    »Dieser Topf ist heil, und
wenn Sie mir nicht glauben, Madam, können Sie reinpinkeln. Kommen Sie, machen
Sie mir ein Angebot. So einen Topf hat es nicht mehr gegeben, seit Merlin noch
klein war. Fangen Sie eine Maus in der Falle, schmeißen Sie sie rein und gleich
darauf erblicken Sie einen gewürzten Wildschweinkopf, komplett, mit Apfel im
Mund.«
    »Wie alt bist du?«, fragt ihn
eine Frau.
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Komm nächstes Jahr wieder,
dann können wir uns in mein Federbett legen.«
    Er zögert. »Nächstes Jahr bin ich schon weggelaufen.«
    »Du gehst als Schausteller auf Wanderschaft? Mit
deinem Topf?«
    »Nein, ich denke daran, als Räuber auf die Heide zu
gehen. Oder ich halte mir Bären. Ein Bärenführer hat eine geregelte Arbeit.«
Die Frau sagt: »Ich hoffe, alles läuft gut für dich.«
     
    In dieser Nacht möchte der
König nach seinem Bad, seinem Essen, seinem Gesang, seinem Tanz einen
Spaziergang. Er hat einen ländlichen Geschmack, trinkt gerne, was man
Feld-Wald-und-Wiesen-Wein nennen könnte, nichts Starkes, aber in diesen Tagen
kippt er seinen ersten Becher schnell hinunter und nickt zum Zeichen, dass er
mehr will; deshalb braucht er Francis Westons stützenden Arm, als er vom Tisch
aufsteht. Starker Tau ist gefallen, und Herren mit Fackeln patschen durch das
Gras. Der König atmet in der feuchten Luft ein paar Mal tief ein. »Sie und
Gardiner«, sagt er, »Sie kommen nicht miteinander aus.«
    »Ich habe keinen Streit mit
ihm«, sagt er ausdruckslos.
    »Dann hat er Streit mit
Ihnen.« Der König verschwindet in der Dunkelheit; als Nächstes spricht er
hinter der Flamme einer Fackel wie Gott aus dem brennenden Dornbusch. »Ich kann
mit Stephen umgehen. Ich kann ihn einschätzen. Er ist wacker und streitbar,
solche Diener brauche ich jetzt. Ich will keine Männer, die Angst vor Auseinandersetzungen
haben.«
    »Eure Majestät sollten
hineingehen. Diese nächtliche Feuchtigkeit ist nicht gesund.«
    »Sie reden wie der Kardinal.«
Der König lacht.
    Er nähert sich der linken Hand
des Königs. Weston, der jung und zierlich ist, zeigt Anzeichen von wankenden Knien.
»Stützen Sie sich auf mich, Sir«, schlägt er vor. Der König legt einen Arm um
seinen Hals, sein Griff gleicht dem eines Ringers. Ein Bärenführer hat eine geregelte
Arbeit. Einen Augenblick lang glaubt er, dass der König weint.
    Im Jahr darauf war er nicht
weggelaufen, weder um Bären zu führen noch um irgendein anderes Gewerbe
auszuüben. Im Jahr darauf gab es den Aufstand in Cornwall, die Rebellen zogen
von Westen nach Osten und waren wild entschlossen, London niederzubrennen, den
englischen König zu überwältigen und dem kornischen Willen zu unterwerfen.
Angst ging ihrer Armee voraus, denn sie waren dafür bekannt, dass sie
Heuschober ansteckten und Rindern die Achillessehne durchschnitten, Häuser
mitsamt den Menschen darin in Brand setzten, Priester abschlachteten, Babys
aßen und Abendmahlsbrot zertrampelten.
    Der König lässt ihn
unvermittelt los. »Auf in unsere kalten Betten. Oder ist nur meines kalt?
Morgen werden Sie

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