Mantel, Hilary
ein
Lederhändler gemeinsam verbrannt. Der Mönch hatte Bücherlieferungen über die
Häfen von Norfolk ins Land und dann - was wirklich dumm war - nach St
Katharine's Dock gebracht, wo der Lordkanzler bereits darauf wartete. Der
Lederhändler war im Besitz von Luthers Von der Freiheit eines Christenmenschen, eigenhändig hatte er den Text
kopiert. Es sind Männer, die er kennt, der entehrte und gebrochene Bainham, der
Mönch Bayfield, John Tewkesbury, der weiß Gott kein Doktor der Theologie war.
Und so geht das Jahr zu Ende: in einer Rauchwolke, einer Wolke aus
menschlicher Asche, die über Smithfield hängt.
Am Neujahrstag wacht er noch vor der Dämmerung auf und
sieht Gregory am Fuß seines Bettes stehen. »Du musst kommen. Tom Wyatt ist
festgenommen worden.«
Umgehend springt er aus dem
Bett; sein erster Gedanke ist, dass More ins Herz von Annes Kreis getroffen
hat. »Wo ist er? Sie haben ihn doch nicht nach Chelsea gebracht?«
Gregory klingt verwirrt.
»Warum sollten sie ihn nach Chelsea bringen?«
»Der König kann nicht zulassen
— es kommt ihm zu nahe - Anne hat Bücher, sie hat sie ihm gezeigt - auch er hat
Tyndale gelesen - und was kommt jetzt, wird More den König verhaften?« Er
greift nach einem Hemd.
»Es hat gar nichts mit More zu
tun. Es geht um ein paar Idioten, die aufgegriffen wurden, weil sie in
Westminster Krawall gemacht haben. Sie sind auf der Straße über Sylvesterfeuer
gesprungen und haben damit angefangen, Fenster einzuwerfen, du weißt ja, wie es
ist...« Gregory klingt müde. »Und dann sind sie auf die Wachen losgegangen und
eingesperrt worden. Jetzt haben sie eine Nachricht geschickt. Kann Master
Cromwell kommen und dem Wachhabenden ein Neujahrsgeschenk machen?«
»Jesus«, sagt er. Er setzt
sich aufs Bett, bemerkt plötzlich seine Nacktheit, seine Füße, Schienbeine,
Schenkel, seinen Schwanz, den Pelz aus Körperhaaren, das stoppelige Kinn: und
den Schweiß, der auf seinen Schultern ausgebrochen ist. Er zieht sein Hemd
über. »Sie müssen mich so nehmen, wie ich bin«, sagt er. »Und außerdem frühstücke
ich zuerst.«
Gregory sagt mit leiser
Boshaftigkeit: »Du warst damit einverstanden, ihm ein Vater zu sein. Und genau
das heißt es, ein Vater zu sein.« Er steht auf. »Hol Richard.«
»Ich komme mit.«
»Komm mit, wenn es sein muss,
aber ich will Richard dabeihaben, falls es Ärger gibt.«
Es gibt keinen Ärger, es wird
nur etwas gefeilscht. Die Dämmerung setzt ein, als die jungen Herren
hinauswanken an die Luft: übernächtigt, übel zugerichtet, die Kleider
zerrissen und schmutzig. »Francis Weston«, sagt er, »guten Morgen, Sir.« Er
denkt: Hätte ich gewusst, dass du auch hier bist, hätte ich dich dringelassen.
»Warum sind Sie nicht bei Hofe?«
»Das bin ich«, sagt der Junge
und stößt sauren Atem aus. »Ich bin in Greenwich. Ich bin nicht hier. Sie
verstehen?«
»Bilokation«, sagt er.
»Genau.«
»Oh Jesus. Oh Jesus, mein
Erlöser.« Thomas Wyatt steht in dem hellen, vom Schnee reflektierten Licht und
reibt sich den Kopf. »Nie wieder.«
»Bis zum nächsten Jahr«, sagt
Richard.
Er, Cromwell, dreht sich um
und sieht eine letzte wankende Gestalt auf die Straße stolpern. »Francis
Bryan«, sagt er, »ich hätte wissen sollen, dass dieses Unternehmen ohne Sie
nicht komplett ist. Sir.«
Der ersten Kälte des neuen
Jahres ausgesetzt, schüttelt sich Lady Annes Vetter wie ein nasser Hund. »Bei
den Titten der heiligen Agnes, es ist saukalt.« Sein Wams ist zerfetzt und sein
Hemdkragen abgerissen, außerdem hat er nur einen Schuh. Er umklammert seine
Beinkleider, damit sie nicht nach unten rutschen. Vor fünf Jahren hat er im
Turnier ein Auge verloren; jetzt hat er seine Augenklappe verloren, und die verfärbte
Augenhöhle ist sichtbar. Mit der verbliebenen visuellen Ausstattung sieht er
sich um. »Cromwell? Ich kann mich gar nicht erinnern, dass Sie letzte Nacht mit
uns zusammen waren.«
»Ich war in meinem Bett und
wäre gerne immer noch dort.«
»Legen Sie sich doch wieder
hin.« Bryan riskiert, auszurutschen und hinzufallen, als er seine Arme weit
ausstreckt. »Welche der Ehefrauen aus der City wartet auf Sie? Haben sie eine
für jeden der zwölf Tage von Weihnachten bis zum Dreikönigstag?« Er lacht
beinahe, aber dann fügt Bryan hinzu: »Stimmt es eigentlich, dass sich die
Männer Ihrer Konfession die Frauen teilen?«
»Wyatt«, er dreht sich um,
»bringen Sie ihn dazu, sich zu bedecken, sonst erfrieren ihm noch seine besten
Teile. Schlimm genug,
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