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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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Henry,
legt ihre Hand auf seinen Arm. »Er demütigt mich in Ihrer Gegenwart.«
    »Charles«, sagt Henry, »lass
uns allein und komm zurück, wenn du Herr deiner selbst bist. Keinen Augenblick
früher.« Er seufzt und macht ein Zeichen: Cromwell, gehen Sie ihm nach.
    Der Herzog von Suffolk brodelt
und schäumt.
    »Frische Luft, Mylord«,
schlägt er vor.
    Der Herbst ist bereits da; vom
Fluss kommt ein rauer Wind. Er bläst einen Schauer durchweichter Blätter in die
Höhe, die vor ihnen herflattern wie die Fahnen einer Miniaturarmee. »Ich finde
immer, Windsor ist ein kalter Ort. Finden Sie nicht auch, Mylord? Ich meine
den Standort, nicht nur das Schloss.« Seine Stimme fährt fort, beruhigend,
leise. »Wenn ich König wäre, würde ich mehr Zeit in dem Palast in Woking
verbringen. Wussten Sie, dass es dort niemals schneit? Zumindest gab es in den
letzten zwanzig Jahren keinen Schnee.«
    »Wenn Sie König wären?«
Brandon stampft bergab. »Wenn Anne Boleyn Königin sein kann, warum nicht?«
    »Ich nehme das zurück. Ich
hätte einen demütigeren Ausdruck benutzen sollen.«
    Brandon grunzt. »Meine Frau.
Sie wird nie im Gefolge dieser Dirne erscheinen. «
    »Mylord, halten Sie sie lieber
für keusch. Das tun wir alle.«
    »Ihre Mutter hat sie
angelernt, und sie war eine große Hure, das kann ich Ihnen sagen. Liz Boleyn,
damals Liz Howard - sie war die erste Frau, die Henry in ihr Bett genommen
hat. Ich weiß diese Sachen, ich bin sein ältester Freund. Siebzehn war er und
wusste nicht, wo er ihn hinstecken sollte. Sein Vater hat ihn wie eine Nonne
gehalten.«
    »Aber keiner von uns glaubt
diese Geschichte jetzt noch. Über Monseigneurs Gattin.«
    »Monseigneur!
Wen im
Himmel.«
    »Er möchte gern so genannt
werden. Das schadet doch nicht.«
    »Ihre Schwester Mary hat sie
angelernt, und Mary wurde in einem Bordell ausgebildet. Wissen Sie, was sie in
Frankreich machen? Mylady, meine Frau, hat es mir erzählt. Als o, nicht
erzählt, sie hat es aufgeschrieben, auf Lateinisch. Der Mann hat einen Standschwanz,
und sie nimmt ihn in den Mund! Können Sie sich so etwas vorstellen? Kann man
eine Frau, die eines so schmutzigen Vorgehens fähig ist, überhaupt noch
Jungfrau nennen?«
    »Mylord ... wenn Ihre Frau
nicht nach Frankreich gehen will, wenn Sie sie nicht überreden können ...
sollen wir sagen, dass sie krank ist? Es wäre etwas, das Sie für den König tun
können, von dem Sie wissen, dass er Ihr Freund ist. Es würde ihn vor ...«
Beinahe sagt er: vor der scharfen Zunge der Dame bewahren. Aber er macht einen
Rückzieher und sagt etwas anderes. »Es würde das Gesicht wahren.«
    Brandon nickt. Sie gehen immer
noch auf den Fluss zu, und er versucht, ihre Schritte zu verlangsamen, denn
Anne wird ihn bald mit der Nachricht von einer Entschuldigung zurückerwarten. Als 
sich der Her zog
zu ihm umdreht, ist sein Gesicht ein Bild des Jammers. »Es stimmt ohnehin. Sie
ist krank. Ihre hübschen kleinen« — er macht eine Geste: hält die Luft in den
hohlen Händen - »sind ganz verschwunden. Ich liebe sie trotzdem. Sie ist so
dünn wie ein Strich. Ich sage immer zu ihr: Mary, eines Tages werde ich
aufwachen und dich nicht finden können, ich werde dich mit einem Faden im
Bettlaken verwechseln.«
    »Das tut mir sehr leid«, sagt
er.
    Brandon fährt sich durch das
Gesicht. »Ach, Gott. Gehen Sie zu Henry zurück, bitte. Sagen Sie ihm, dass wir
das nicht machen können.«
    »Er wird erwarten, dass Sie
mit nach Calais kommen, wenn Mylady es nicht kann.«
    »Ich möchte sie nicht allein
lassen, verstehen Sie?«
    »Anne ist nachtragend«, sagt
er. »Schwer zufriedenzustellen, leicht zu beleidigen. Mylord, lassen Sie sich
von mir leiten.«
    Brandon grunzt. »Das tun wir
doch alle. Bleibt uns gar nichts anderes übrig. Sie machen alles, Cromwell.
Sie sind inzwischen alles. Wir sagen: Wie ist das geschehen? Wir fragen uns das.«
Der Herzog zieht die Luft ein. »Wir fragen uns das, aber beim dampfenden Blut
Christi, wir kennen die verdammte Antwort nicht.«
    Das dampfende Blut Christi.
Der Fluch ist Thomas Howards würdig, des älteren Herzogs. Wann ist er
eigentlich zum Interpreten der Herzöge, zu ihrem Erklärer geworden? Das fragt
er sich, aber er kennt die verdammte Antwort nicht. Als  er zum König und der
zukünftigen Königin zurückkehrt, sehen die beiden einander liebevoll ins
Gesicht. »Der Herzog von Suffolk bittet um Entschuldigung«, sagt er. Ja, ja,
sagt der König. Wir sehen uns morgen, aber nicht zu früh. Man

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