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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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mit aufgerissenen Augen zurück und sagt, der
Schrein sei mit Edelsteinen übersät, so groß wie Gänseeier.
    »Ich weiß. Sind sie echt, was
glaubst du?«
    »Man bekommt einen Schädel
gezeigt, der Beckets sein soll, die Ritter haben ihn eingeschlagen, aber er
wird von einer Silberplatte zusammengehalten. Gegen Bargeld darf man ihn
küssen. Es gibt auch eine flache Schale mit seinen Fingerknochen. Sie haben
sein vollgerotztes Taschentuch. Und ein Stück von seinem Stiefel. Und eine
Phiole, die vor dir geschüttelt wird, das soll sein Blut sein.«
    »In Walsingham haben sie eine
Phiole mit der Milch der Heiligen Jungfrau.«
    »Jesus Christus, was mag da
wohl drin sein?« Rafe sieht aus, als würde ihm schlecht. »Das Blut, man sieht
ganz genau, dass es Wasser ist, vermischt mit etwas roter Erde. Es ist ganz
klumpig.«
    »Nun, nimm mal den Gänsekiel
da, der stammt nämlich aus den Flügeln des Engels Gabriel. Wir schreiben an
Stephen Vaughan. Wir müssen ihn vielleicht auf die Reise schicken, damit er
Thomas Cranmer nach Hause bringt.«
    »Das kann nicht schnell genug
geschehen«, sagt Rafe. »Nur einen Augenblick, Master, bis ich mir die Hände
gewaschen habe. Da ist noch ein bisschen Becket dran.«
    Obwohl er nicht zu dem Schrein
gehen will, möchte sich der König mit Anne an seiner Seite dem Volk zeigen.
Jeden Ratschlag missachtend, mischt er sich unter die Menge, als sie von der
Messe kommen; seine Wachen stehen zurück, seine Ratgeber umringen ihn. Auf
ihrem schmalen Hals ruckt Annes Kopf hin und her, dreht sich zu den Kommentaren
hin, die den Weg zu ihr finden. Die Leute strecken die Hände aus, um den König
zu berühren.
    Norfolk ist neben ihm, überaus
angespannt und besorgt, die Augen überall: »Das gefällt mir ganz und gar nicht,
Master Cromwell.« Er selbst, der das Messer schon einmal schnell zur Hand
hatte, ist auf der Hut vor Bewegungen unterhalb seiner Augenhöhe. Aber was
einer Waffe am nächsten kommt, ist ein übergroßes Kreuz, das von einigen Franziskanermönchen
geschwungen wird. Die Menge macht den Weg frei, und es folgen ein ungeordneter
Haufen Laienpriester in Messgewändern und ein Kontingent Benediktiner von der
Abtei mit einer jungen Frau im Habit einer Benediktinernonne in ihrer Mitte.
»Majestät?«
    Henry dreht sich um. »Bei
Gott, das ist die heilige Magd«, sagt er. Die Wächter rücken vor, aber Henry
hält eine Hand in die Höhe. »Ich will sie ansehen.« Sie ist ein großes Mädchen
und nicht so jung, vielleicht achtundzwanzig; ein unscheinbares Gesicht, die
Haut dunkel getönt, mit einer aufgeregten, hektischen Röte überzogen. Sie
schiebt sich auf den König zu, und einen Augenblick sieht er ihn mit ihren Augen:
ein undeutliches Bild in Rot und Gold, ein gerötetes Gesicht, ein bereitwilliger,
lüsterner Körper, eine Hand wie ein Schinken, die ausgestreckt wird, um ihren
Ellenbogen zu ergreifen, den Ellenbogen einer Nonne. »Madam, haben Sie mir
etwas zu sagen?«
    Sie versucht zu knicksen, aber
sein Griff erlaubt es ihr nicht. »Der Himmel hat mir mitgeteilt«, sagt sie,
»die Heiligen, mit denen ich mich unterhalte, sagen, dass die Ketzer in Ihrer
Umgebung in ein großes Feuer gesteckt werden müssen, und wenn Sie dieses Feuer
nicht entzünden, werden Sie selbst brennen.«
    »Welche Ketzer? Wo sind sie?
Ich habe keine Ketzer bei mir.«
    »Da ist eine.«
    Anne drängt sich an den König;
vor dem Scharlachrot und Gold seiner Jacke schmilzt sie wie Wachs.
    »Und wenn Sie eine Form der
Ehe mit dieser unwürdigen Frau eingehen, werden Sie keine sieben Monate mehr
regieren.«
    »Hören Sie, Madam, sieben
Monate? Runden Sie es auf, geht das vielleicht? Was für eine Prophezeiung ist
das, die sagt »sieben Monate    »So hat es der Himmel mir gesagt.«
    »Und wenn die sieben Monate
vorbei sind, wer wird dann König? Heraus damit: Wen sähen Sie gerne an meiner
Stelle?«
    Die Mönche und Priester
versuchen sie wegzuziehen; das hier gehört nicht zu ihrem Plan. »Lord Montague,
er ist von Geblüt. Der Marquis von Exeter, er hat königliches Blut.« Jetzt versucht
sie, sich vom König wegzureißen. »Ich sehe Ihre Mutter«, sagt sie, »umgeben von
hellen Feuern.«
    Henry lässt sie los, als wäre
ihr Fleisch heiß. »Meine Mutter? Wo?«
    »Ich habe nach dem Kardinal
von York gesucht. Ich habe den Himmel, die Hölle und das Fegefeuer abgesucht,
aber der Kardinal ist nicht dort.«
    »Sie muss doch verrückt sein«,
sagt Anne. »Sie ist verrückt und muss ausgepeitscht werden. Und

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