Mantel, Hilary
kenne.«
Es hat schon schlimmere
Beschreibungen seiner Situation gegeben. Er möchte gerne sagen, sie ist keine
Mätresse, nicht mehr, aber obwohl das Geheimnis bald ein offenes Geheimnis sein
wird, steht es ihm nicht zu, es zu enthüllen.
Der 25. Januar 1533, Morgendämmerung,
eine Kapelle in Whitehall, sein Freund Rowland Lee als Priester: Anne und Henry
geben ihr Eheversprechen ab, bestätigen den Vertrag, den sie in Calais
geschlossen haben, fast im Geheimen, ohne Feier, nur eine kleine Gruppe von
Zeugen, die Eheleute beide sprachlos, abgesehen von den knappen Eingeständnissen
ihrer Absicht, die ihnen durch die Zeremonie abgezwungen werden. Henry Norris
ist blass und nüchtern: War es freundlich, ihn gleich zweimal bezeugen zu
lassen, wie Anne einem anderen Mann gegeben wird?
William Brereton ist auch
Zeuge, da er Dienst in den Privatgemächern des Königs hat. »Sind Sie wirklich
hier?«, fragt er ihn. »Oder sind Sie woanders? Die Herren sagen mir, dass Sie
die Fähigkeit zur Bilokation haben wie große Heilige.«
Brereton funkelt ihn an. »Sie
haben Briefe nach Chester geschrieben.«
»In Angelegenheiten des
Königs. Wie nicht?«
Sie müssen das flüsternd
abhandeln, da Rowland gerade die Hände der Braut und des Bräutigams vereint.
»Ich sage Ihnen das nur einmal. Halten Sie sich aus den Angelegenheiten meiner
Familie raus. Oder es wird Ihnen schlimmer ergehen, Master Cromwell, als Sie
sich das vorstellen können.«
Anne wird nur von einer Dame
begleitet, ihrer Schwester. Als sie aufbrechen - der König legt die Hand auf
den Oberarm seiner Frau und zieht sie dorthin, wo ein wenig Harfenmusik
gespielt wird -, dreht Mary sich um und schenkt ihm ein üppiges Lächeln. Sie
hält die Hand hoch, Zeigefinger und Daumen einen Zollbreit auseinander.
Sie hat immer gesagt: Ich bin
die Erste, die es erfährt. Ich bin diejenige, die ihre Mieder weiter macht.
Er ruft William Brereton
zurück, höflich; er sagt: Es war ein Fehler, mich zu bedrohen.
Er kehrt in sein Büro in
Westminster zurück. Weiß der König es schon?, überlegt er. Vermutlich nicht.
Er setzt sich an seine Arbeit,
an sein Schriftstück. Kerzen werden gebracht. Er sieht den Schatten seiner
eigenen Hand über das Papier gleiten, seine eigene, nicht zu verbergende Faust,
nachdem der maskierende Samthandschuh gefallen ist. Nichts soll zwischen ihm
und dem Gewebe des Papiers sein, der schwarzen Linie aus Tinte, die darauf
verläuft, und deshalb nimmt er seine Ringe ab, Wolseys Türkis und Francois'
Rubin - zu Neujahr hat der König ihn von seinem eigenen Finger gezogen, ihm
den Stein in der Fassung des Goldschmieds von Calais zurückgegeben und im
Überschwang des Vertrauens gesagt, wie Herrscher es tun: Nun, das wird ein
Zeichen zwischen uns sein, Cromwell, schicken Sie ein Papier mit diesem Ring
und ich werde wissen, dass es aus Ihrer Hand stammt, selbst wenn Sie Ihr
Siegel nicht haben.
Ein Vertrauter Henrys, der
dabeistand - es war Nicholas Carew - hatte bemerkt: Der Ring seiner Majestät
passt Ihnen wie angegossen. Er sagte: So ist es.
Er zögert, seine Feder schwebt
in der Luft. Er schreibt: »Dieses Königreich England ist ein Imperium.« Dieses Königreich England ist
ein Imperium und als solches in der Welt anerkannt, es wird von einem Oberhaupt
und König regiert...
Um elf Uhr, als der Tag seinen
hellsten Punkt erreicht hat, isst er mit Cranmer in dessen Unterkunft in der
Cannon Row zu Mittag; dort lebt Cranmer, bis ihm seine neue Würde verliehen
wird und er in Lambeth Palace einziehen kann. Er hat seine neue Unterschrift
schon geprobt: Thomas Electus von Canterbury. Bald wird er mit allem Pomp dinieren,
aber heute schiebt er seine Papiere wie ein ärmlicher Gelehrter beiseite,
während ein Tischtuch ausgelegt und der Salzfisch gebracht wird, über dem er
das Zeichen des Segens macht.
»Das wird ihn nicht besser
machen«, sagt er, Cromwell. »Wer kocht für Sie? Ich schicke Ihnen jemanden.«
»Nun, ist die Ehe
geschlossen?« Es sieht Cranmer ähnlich, darauf zu warten, dass man ihm die
Neuigkeit überbringt: sechs Stunden in stummer Geduld zu arbeiten, den Kopf
über seine Bücher gebeugt.
»Ja, Rowland war seinem Amt
gewachsen. Er hat sie nicht mit Norris verheiratet oder den König mit ihrer
Schwester.« Er schüttelt seine Serviette aus. »Ich weiß etwas. Aber Sie müssen
es mir entlocken.«
Er hofft, dass sich Cranmer
seinerseits das Geheimnis entlocken lässt, von dem er in seinem Brief
gesprochen hat, das Geheimnis auf
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