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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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dem Rand der Seite. Aber es muss sich um eine
kleinere Indiskretion gehandelt haben, die jetzt vergessen ist. Und weil
Canterbury Electus damit beschäftigt ist, zögerlich in Schuppen und Haut zu stochern,
sagt er: »Sie, Anne, erwartet ein Kind.«
    Cranmer sieht auf. »Wenn Sie
das in diesem Ton erzählen, werden die Leute glauben, dass Sie es sich
persönlich als Verdienst anrechnen.«
    »Sie sind nicht erstaunt? Sie
sind nicht erfreut?«
    »Ich frage mich, was für ein
Fisch das sein soll«, sagt Cranmer mit mildem Interesse. »Natürlich bin ich
entzückt. Aber ich wusste es. Weil diese Ehe rein ist - warum sollte Gott sie
nicht mit Nachkommen segnen? Und mit einem Erben?«
    »Natürlich, mit einem Erben.
Sehen Sie.« Er nimmt die Papiere heraus, an denen er gearbeitet hat. Cranmer
wäscht sich seine fischigen Finger und beugt sich näher zur Flamme der Kerze.
»Nach Ostern«, sagt Cranmer, als er liest, »wird es gegen das Gesetz und das
königliche Prärogativ sein, in irgendeiner Angelegenheit an den Papst zu
appellieren. Damit ist Katherines Klage tot und begraben. Und ich, Canterbury,
kann den Fall des Königs in unseren eigenen Gerichten entscheiden. Nun, das war
schon lange überfällig.«
    Er lacht. »Sie waren lange überfällig.«
Cranmer hielt sich in Mantua auf, als er von der Ehre hörte, die der König ihm
erweisen wollte. Daraufhin trat er seine umständliche Reise an: Stephen
Vaughan traf sich mit ihm in Lyon und brachte ihn schnell über die winterlichen
Straßen und durch die Schneewehen in der Picardie zum Schiff. »Warum haben Sie
sich so viel Zeit genommen? Will nicht jeder Junge später mal Erzbischof
werden? Nur ich nicht, wenn ich mich richtig erinnere. Ich wollte lieber meinen
eigenen Bären haben.«
    Cranmer sieht ihn prüfend an.
»Ich bin sicher, das lässt sich arrangieren.«
    Gregory hat ihn gefragt: Woran
erkennen wir, dass Dr Cranmer einen Witz macht? Er hat geantwortet: Gar nicht,
Witze sind bei ihm so selten wie die Apfelblüte im Januar. Und jetzt wird er
einige Wochen lang halbwegs befürchten, dass ein Bär an seiner Tür auftaucht. Als 
sie sich an diesem Tag verabschieden, sieht Cranmer vom Tisch auf und sagt:
»Natürlich weiß ich offiziell nichts davon.«
    »Von dem Kind?«
    »Von der Heirat. Da ich im Fall
der früheren Ehe des Königs die Rolle des Richters übernehmen soll, wäre es
nicht schicklich, wenn ich wüsste, dass seine neue bereits geschlossen wurde.«
    »Richtig«, sagt er. »Was
Rowland in den frühen Morgenstunden treibt, geht nur ihn etwas an.« Als er
geht, beugt Cranmer den Kopf über die Reste ihrer Mahlzeit, als wolle er den
Fisch wieder zusammensetzen.
    Da unsere Ablösung vom Vatikan
noch nicht vollständig vollzogen ist, können wir keinen neuen Erzbischof haben,
wenn nicht der Papst ihn ernennt. Abgesandte in Rom sind ermächtigt, alles zu
sagen, alles zu versprechen - pro tem -, um Clemens zu einer Zustimmung zu bewegen. Der
König sagt entgeistert: »Wissen Sie, was die päpstlichen Bullen für Canterbury
kosten? Und dass ich für sie zahlen muss? Und wissen Sie, wie viel es kostet,
ihn in sein Amt einzuführen?« Er setzt hinzu: »Es muss natürlich ordentlich
gemacht werden, nichts darf ausgelassen werden, es darf an nichts mangeln.«
    »Wenn es nach mir geht, wird
es das letzte Geld sein, das Eure Majestät nach Rom schickt.«
    »Und wissen Sie«, sagt der
König, als hätte er etwas Erstaunliches entdeckt, »dass Cranmer keinen einzigen
Pfennig besitzt? Er kann nichts beisteuern.«
    Er leiht das Geld im Namen der
Krone bei einem reichen Genueser, den er kennt; er heißt Salvago. Um ihn zu dem
Darlehen zu überreden, schickt er ihm einen Kupferstich, von dem er weiß, dass
Salvago ihn begehrt. Er zeigt einen jungen Mann, der in einem Garten steht, die
Augen erhoben zu einem leeren Fenster, in dem, wie zu hoffen ist, bald eine
Dame erscheinen wird; ihr Duft liegt bereits in der Luft, und Vögel auf den
Zweigen blicken fragend auf die leere Stelle, bereit zu singen. In seinen
beiden Händen hält der junge Mann ein Buch; das Buch hat die Form eines
Herzens.
    In Hinterzimmern von
Westminster sitzt Cranmer jeden Tag in Ausschüssen. Er schreibt einen Text für
den König, um etwas darzulegen. Selbst wenn die Ehe seines Bruders mit
Katherine nicht vollzogen wurde, hat das keine Auswirkung auf die beantragte
Annullierung, denn zweifellos hatten sie die Absicht, verheiratet zu sein, und
diese Absicht schafft Verbundenheit; ebenso muss es in den

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