Mantel, Hilary
zu ruhen ... schon bei dem Gedanken daran wird dir heiß.«
»Sind Sie glücklich?«, fragt
er.
»Ja.« Sie senkt die Augen und
legt ihre kleinen Hände auf den Leib. »Ja, deswegen. Wissen Sie«, sagt sie
langsam, »begehrt wurde ich immer. Aber jetzt werde ich geschätzt. Und das ist
etwas ganz anderes, stelle ich fest.«
Er schweigt, damit sie ihre
eigenen Gedanken denken kann: die ihr viel bedeuten, wie er sieht. »Nun«, sagt
sie, »Sie haben einen Neffen Richard, eine Art Tudor, obwohl ich überhaupt
nicht verstehen kann, wie es dazu gekommen ist.«
»Ich kann den Stammbaum für
Sie aufzeichnen.«
Sie schüttelt lächelnd den
Kopf. »Die Mühe brauchen Sie sich nicht zu machen. Seit dem hier«, ihre Finger
gleiten nach unten, »wache ich morgens auf und kann mich kaum an meinen Namen
erinnern. Ich habe mich immer gefragt, warum Frauen so närrisch sind, und jetzt
weiß ich es.«
»Sie erwähnten meinen Neffen.«
»Ich habe ihn mit Ihnen
gesehen. Er sieht entschlossen aus. Er wäre vielleicht etwas für sie. Was sie
will, sind Pelze und Juwelen. Das können Sie ihr geben, habe ich recht? Und
jedes zweite Jahr ein Kind in der Wiege. Bezüglich der Frage, wer es zeugt,
können Sie ja Absprachen in Ihrem Haushalt treffen.«
»Ich dachte«, sagt er, »dass
Ihre Schwester eine Bindung hat?«
Er will keine Rache: nur eine
Klarstellung.
»Hat sie das? Nun ja, Marys
Bindungen ... normalerweise kurzlebig und zuweilen sehr merkwürdig - wie Sie
wissen, nicht wahr.« Es ist keine Frage. »Bringen Sie sie an den Hof, Ihre
Kinder. Wir möchten sie sehen.«
Er verlässt sie, und ihre
Augen schließen sich wieder, sie schmiegt sich erneut in die minimale Wärme, in
den kleinen Sonnenstrahl, der alles ist, was der Februar zu bieten hat.
Der König hat ihm Gemächer im
alten Palast von Westminster gegeben, denn meistens arbeitet er so lange, dass
er es nicht mehr nach Hause schafft. Deshalb muss er im Geiste durch seine
Räume in Austin Friars gehen und seine Gedächtnisbilder dort aufsammeln, wo er
sie hinterlassen hat: auf Fensterbänken und unter Hockern und in den wollenen
Blütenblättern der Blumen zu Füßen Anselmas auf dem Gobelin. Am Ende eines
langen Tages isst er dann mit Cranmer und mit Rowland Lee zu Abend. Letzterer
stapft zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen hin und her und treibt sie an.
Manchmal kommt auch Audley zum Essen, der Lordkanzler, aber sie machen keine
formelle Angelegenheit daraus, setzen sich einfach an den Tisch wie eine Bande
studentischer Tintenkleckser und reden, bis Cranmers Schlafenszeit kommt. Er
möchte sie ganz genau verstehen, diese Männer, möchte prüfen, inwieweit er sich
auf sie verlassen kann, und ihre Schwächen herausfinden. Audley ist ein
umsichtiger Anwalt, der einen Satz durchsieben kann wie ein Koch, der einen
Sack Reis auf Sand durchsiebt. Er ist ein eloquenter Redner, bleibt beharrlich
bei der Sache und hat seine Karriere im Blick; jetzt, da er Kanzler ist,
beabsichtigt er, ein Einkommen zu erzielen, das dem Amt entspricht. Was er
glaubt, ist Verhandlungssache; er glaubt an das Parlament, an die Macht des
Königs im Parlament, und in religiösen Fragen ... sagen wir mal, seine Überzeugungen
sind flexibel. Was Lee betrifft, so muss man sich fragen, ob er überhaupt an
Gott glaubt - obwohl ihn das nicht davon abhält, ein Bistum für sich ins Auge
zu fassen. Er sagt: »Rowland, nehmen Sie Gregory in Ihrem Haushalt auf? Ich
denke, Cambridge hat alles getan, was es für ihn tun kann. Und ich gebe zu,
dass Gregory nichts für Cambridge getan hat.«
»Ich nehme ihn in den Norden
mit«, sagt Rowland, »ich muss mich nämlich mit den Bischöfen dort streiten. Er
ist ein guter Junge, Gregory. Nicht gerade ein Schnellstarter, aber das kann
ich verstehen. Wir sorgen dafür, dass etwas Nützliches aus ihm wird.«
»Sie haben ihn nicht für die
Kirche bestimmt?«, fragt Cranmer.
»Ich sagte«, knurrt Rowland,
»wir machen etwas Nützliches aus ihm.«
In Westminster gehen seine
Schreiber ein und aus, bringen Neuigkeiten und Klatsch und Papierkram, und er
behält Christophe bei sich, angeblich, damit er sich um seine Kleidung kümmert,
aber in Wirklichkeit soll er ihn zum Lachen bringen. Er vermisst die Musik,
die sie jeden Abend in Austin Friars machen, und die Stimmen der Frauen, die
man aus den anderen Räumen hört.
Die meisten Tage der Woche ist
er am Tower und überredet die Vorarbeiter, ihre Männer auch bei Frost und
Regen durcharbeiten zu lassen; er
Weitere Kostenlose Bücher