Mantel, Hilary
Nächten, die sie
zusammen verbracht haben, ihre Absicht gewesen sein, Kinder zu zeugen, auch
wenn sie es nicht richtig angestellt haben. Um weder Henry noch Katherine als
Lügner dastehen zu lassen, denken sich die Männer in den Ausschüssen Umstände
aus, unter denen die Ehe eventuell teilweise vollzogen wurde oder ein bisschen
vollzogen wurde, und zu diesem Zweck müssen sie sich jede Katastrophe und jede
Schmach vorstellen, die zwischen einem Mann und einet Frau passieren können,
wenn sie allein in einem dunklen Zimmer sind. Gefällt Ihnen Ihre Arbeit,
erkundigt er sich und betrachtet die gekrümmten und staubigen Erscheinungen
dieser Männer; er vermutet, dass sie die nötige Erfahrung haben. Cranmer nennt
Katherine beim Schreiben immer wieder >Serenissima<, als wolle er ihr
gelassenes Gesicht auf einem Leinenkissen von den Erniedrigungen abgrenzen,
die ihrem Unterleib aufgezwungen werden, von dem Fummeln und Wühlen des Jungen,
von dem Betatschen ihrer Schenkel.
Unterdessen läuft Anne, die
heimliche Königin von England, ihren adligen Begleitern weg, als sie durch eine
Galerie in Whitehall geht. Sie lacht, als sie in einen Trab, fast ein Hüpfen
verfällt, und die Herren strecken die Arme aus, um sie zurückzuhalten, als
wäre sie gefährlich, aber sie verscheucht die Hände und lacht. »Wissen Sie,
dass ich ein großes Verlangen habe, Äpfel zu essen? Der König sagt, es
bedeutet, dass ich ein Baby bekomme, aber ich antworte: nein, nein, das kann
nicht sein ...« Sie wirbelt herum und noch einmal herum. Sie errötet, Tränen
springen aus ihren Augen und scheinen durch die Luft zu fliegen wie Wasser aus
einem schlecht eingestellten Brunnen.
Thomas Wyatt schiebt sich
durch die Menge. »Anne ...« Er greift nach ihren Händen, er zieht sie zu sich.
»Anne, pst, mein Schatz ... pst ...« Sie bricht in hicksende Schluchzer aus,
schmiegt sich an seine Schulter. Wyatt hält sie fest; seine Augen wandern
umher, als würde er plötzlich nackt auf der Straße stehen und auf einen
Wanderer warten, der mit einem Kleidungsstück vorbeikommt, damit er seine Scham
bedecken kann. Unter den Umstehenden befindet sich auch Chapuys; der
Botschafter macht einen schnellen, entschlossenen Abgang; seine kleinen Beine
arbeiten heftig, in sein Gesicht ist ein spöttisches Lächeln eingegraben.
Die Neuigkeit wird eilends dem
Kaiser überbracht. Es wäre gut, wenn die alte Ehe abgesagt, die neue Ehe
angesagt gewesen wäre und diese Kunde Europa erreicht hätte, bevor Annes
gesegneter Zustand verkündet wurde. Aber das Leben ist eben nie vollkommen für
den Diener eines Fürsten; wie Thomas More zu sagen pflegte, sollten wir nicht
erwarten, auf Federbetten in den Himmel zu kommen.
Zwei Tage später ist er mit
Anne allein; sie hockt mit geschlossenen Augen in einer Fensterlaibung und
badet wie eine Katze in einem der seltenen Strahlen der Wintersonne. Sie
streckt ihm die Hand hin, kaum wissend, wer er ist. Jeder Mann ist willkommen?
Er nimmt ihre Fingerspitzen. Sie schlägt ihre schwarzen Augen auf. Als würden
die Fensterläden abgenommen und das Geschäft geöffnet: Guten Morgen, Master
Cromwell, was können wir einander heute verkaufen?
»Ich habe Mary satt«, sagt
sie. »Und ich möchte sie loswerden.«
Meint sie Katherines Tochter,
die Prinzessin? »Sie sollte verheiratet werden«, sagt sie, »und mir aus dem Weg
sein. Ich möchte sie niemals mehr sehen müssen. Ich möchte nicht an sie denken
müssen. Ich habe mir schon lange vorgestellt, dass sie mit einer unbedeutenden
Person verheiratet ist.«
Er wartet, immer noch im
Unklaren.
»Ich vermute, sie wäre keine
schlechte Ehefrau für jemanden, der bereit ist, sie an der Wand anzuketten.«
»Ah. Mary, Ihre Schwester.«
»Was haben Sie denn geglaubt?
Ach so«, sie lacht, »Sie dachten, ich meine Mary, den Bastard des Königs. Nun,
das bringt mich auf den Gedanken. Sie sollte auch verheiratet werden. Wie alt
ist sie?«
»Siebzehn dieses Jahr.«
»Und immer noch Zwergin?« Anne
wartet nicht auf eine Antwort. »Ich werde einen alten Gentleman für sie finden,
einen sehr ehrbaren gebrechlichen Gentleman, der ihr keine Kinder macht und den
ich bezahlen werde, damit er dem Hof fernbleibt. Aber was Lady Carey betrifft,
was lässt sich da machen? Sie kann sie nicht heiraten. Wir ziehen sie damit auf,
dass ihre Wahl auf Sie gefallen ist. Einige Damen haben eine heimliche Vorliebe
für einfache Männer. Wir sagen: Mary, ach, wie du dich danach sehnst, in den
Armen des Schmieds
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