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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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die Stadtmauern getrieben worden, um im
Schnee zu sterben. Jetzt liegt die Stadt unter Belagerung durch ihren eigenen
Fürstbischof, der sie auszuhungern gedenkt. Die Verteidiger, hört man,
bestehen im Wesentlichen aus den zurückgelassenen Frauen und Kindern; sie
werden von einem Schneider namens Bockelson, der sich selbst zum König des
Neuen Jerusalem gekrönt hat, in Angst und Schrecken gehalten. Es gibt Gerüchte,
dass Bockelsons Freunde die Polygamie eingeführt haben, wie sie im alten
Testament empfohlen wird, und dass einige Frauen sich lieber haben hängen oder
ertränken lassen, als sich unter dem Deckmantel von Abrahams Gesetz
vergewaltigen zu lassen. Unter dem Vorwand der Gütergemeinschaft betreiben
diese Propheten schlichtweg Raub. Es heißt, sie haben die Häuser der Reichen
eingenommen, ihre Briefe verbrannt, ihre Bilder zerschlitzt und die Böden mit
feinen Stickereien gewischt. Außerdem haben sie die Urkunden vernichtet, die
Aufschluss darüber geben, wem was gehört, damit frühere Zeiten nie mehr
wiederkehren können.
    »Utopia«, sagt er. »Ist es
nicht so?«
    »Ich höre, sie verbrennen die
Bücher aus den Bibliotheken der Stadt. Erasmus wurde in die Flammen geworfen.
Welcher Teufel würde den sanften Erasmus verbrennen? Aber zweifellos«, More
nickt, »zweifellos wird die Ordnung in Münster wiederhergestellt werden. Ich
habe nicht den geringsten Zweifel, dass Philipp, der Landgraf von Hessen und Luthers
Freund, dem guten Bischof seine Kanonen und Kanoniere leihen wird und dass der
eine Häretiker den anderen niederwirft. Die Brüder werden sich übereinander
hermachen, verstehen Sie? Wie tollwütige geifernde Hunde, die sich gegenseitig
die Eingeweide herausreißen, wenn sie auf der Straße aufeinandertreffen.«
    »Ich sage Ihnen, wie Münster
enden wird. Jemand innerhalb der Stadt wird sie übergeben.«
    »Glauben Sie? Sie sehen aus,
als wollten Sie mir eine Wette anbieten. Aber ich war noch nie ein großer
Spieler. Und jetzt hat der König all mein Geld.«
    »Ein Mann wie dieser, ein
Schneider, kommt einen Monat lang oder zwei ans Ruder ...«
    »Ein Wollhändler, Sohn eines
Schmieds, kommt ein Jahr lang oder zwei ans Ruder...«
    Er steht auf, greift nach
seinem Umhang: schwarze Wolle, Lammfellfutter. Mores Augen leuchten auf: Ah,
sieh an, ich habe dich in die Flucht geschlagen. Jetzt murmelt er, als wäre es
eine Einladung zum Abendessen: Müssen Sie schon gehen? Bleiben Sie doch noch
ein wenig. Er hebt das Kinn. »Als o werde ich Meg nicht wiedersehen?«
    Der Ton des Mannes, die Leere,
der Verlust: Es geht ihm zu Herzen. Er wendet sich ab, um ruhig und normal
antworten zu können. »Sie brauchen nur ein paar Worte zu sagen. Das ist alles.«
    »Ah. Nur Worte.«
    »Und wenn Sie sie nicht sagen
wollen, kann ich sie Ihnen schriftlich vorlegen. Unterschreiben Sie, und der
König wird glücklich sein. Ich schicke meine Barke, um Sie nach Chelsea
zurückzubringen, sie legt am Landungssteg am Ende Ihres Gartens an - nicht viel
zu sehen um diese Jahreszeit, wie Sie sagen, aber denken Sie mal an das
herzliche Willkommen im Inneren des Hauses. Dame Alice erwartet Sie - Alice'
Kochkunst, die allein würde Sie schon wiederherstellen; sie steht an Ihrer
Seite und sieht zu, wie Sie kauen, und sobald Sie sich den Mund abwischen
wollen, nimmt sie Sie in die Arme und küsst Ihnen das Hammelfett vom Mund:
Ach, mein lieber Mann, wie ich dich vermisst habe! Sie führt Sie in ihre
Schlafkammer, verschließt die Tür, steckt den Schlüssel in ihre Tasche und
zieht Ihnen die Kleider aus, bis Sie im Hemd dastehen und nichts als ihre
weißen Beinchen rausgucken - Sie müssen zugeben, dass die Frau nur ihre Rechte
wahrnimmt. Und dann am nächsten Tag - denken Sie nur - stehen Sie vor
Tagesanbruch auf, schlurfen in Ihre vertraute Zelle und peitschen sich, Sie
rufen nach Ihrem Brot und Wasser, und um acht haben Sie schon wieder Ihr
härenes Hemd an und darüber Ihr altes Gewand aus Wolle, das blutfarbene mit dem
Riss ... Sie legen die Füße auf einen Hocker, und Ihr einziger Sohn bringt
Ihnen Ihre Briefe ... Sie brechen das Siegel Ihres geliebten Erasmus ... Dann,
wenn Sie Ihre Briefe gelesen haben, können Sie nach draußen humpeln - sagen wir
mal, es ist ein sonniger Tag - und Ihre Vögel im Käfig angucken und Ihren
kleinen eingesperrten Fuchs, und Sie können sagen: Ich war auch ein Gefangener,
aber jetzt nicht mehr, weil Cromwell mir gezeigt hat, dass ich frei sein kann
... Wollen Sie das nicht? Wollen Sie

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