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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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brauchen Teller, wenn Mylord nicht von zerbeultem
Zinn essen soll, sie brauchen Laken, Tischwäsche, Feuerholz. »Ich werde ein
paar Leute herholen«, sagt er, »um die Küche in Ordnung zu bringen. Italiener.
Am Anfang wird es heftig zugehen, aber nach drei Wochen wird alles laufen.«
    Drei Wochen? Die Kinder aus
der Küche sollen das Kupfer putzen. »Können wir Zitronen bekommen?«, fragt er
im selben Augenblick, als Cavendish sagt: »Und wer wird jetzt Kanzler?«
    Ich wüsste gern, denkt er, ob
es da unten Ratten gibt. Cavendish sagt: »Erinnern Sie sich an Seine Gnaden von
Canterbury?«
    Sich an ihn erinnern -
fünfzehn Jahre nachdem der Kardinal den Erzbischof von Canterbury aus dem Amt
des Lordkanzlers gedrängt hat? »Nein, Warham ist zu alt.« Und zu starrsinnig,
nicht entgegenkommend genug, was die Wünsche des Königs betrifft. »Und auch
nicht der Herzog von Suffolk« - denn in seinen Augen ist Charles Brandon nicht
schlauer als Christopher, der Maulesel, obwohl er mehr vom Kämpfen und von der
Mode und ganz allgemein vom Prahlen versteht - »nicht Suffolk, weil der Herzog
von Norfolk ihn nicht haben will.«
    »Und umgekehrt.« Cavendish
nickt. »Bischof Tunstall?«
    »Nein. Thomas More.«
    »Ein Laie und Nichtadliger?
Und dann steht er auch noch der Auflösung der Ehe des Königs so ablehnend
gegenüber.«
    Er nickt, ja, ja, More wird es
werden. Der König ist bekannt dafür, dass er sein Gewissen in die Hand von
Leuten legt, die hohe Maßstäbe setzen. Vielleicht hofft er, vor sich selbst
bewahrt zu werden.
    »Wenn der König es ihm
anbietet - ich kann mir vorstellen, dass er es der Geste wegen vielleicht tut
-, wird Thomas More es doch sicherlich nicht annehmen?«
    »Doch, wird er.«
    »Wetten wir?«, sagt Cavendish.
    Sie einigen sich über die
Bedingungen und besiegeln die Wette mit einem Handschlag. Es lenkt sie von den
vordringlichen Problemen ab, als da sind die Ratten und die Kälte und auch die
Frage, wie sie einen Haushalt von mehreren hundert Personen, die noch in
Westminster sind, in den viel kleineren Räumlichkeiten von Esher unterbringen
sollen. Seine wichtigsten Häuser eingerechnet, zählt die Belegschaft des
Kardinals etwa sechshundert Seelen, von Priestern über Juristen bis hin zu
Putzpersonal und Wäscherinnen. Sie erwarten dreihundert, die ihnen unmittelbar
hierher folgen. »Wie die Dinge liegen, werden wir den Haushalt auflösen
müssen«, sagt Cavendish. »Aber wir haben kein Bargeld für die Löhne.«
    »Ich soll verdammt sein, wenn
sie ohne Bezahlung gehen müssen«, sagt er, und Cavendish entgegnet: »Ich denke,
das sind Sie ohnehin. So wie Sie über die Reliquie gesprochen haben.«
    Er fängt Georges Blick auf.
Sie beginnen zu lachen. Wenigstens haben sie etwas Anständiges zu trinken; die
Keller sind voll, was ein Glück ist, sagt Cavendish, denn wie sollen wir sonst
über die nächsten Wochen kommen? »Was, glauben Sie, hat Norris gemeint?«, sagt George. »Wie kann der
König zweierlei Meinung sein? Wie kann Mylord Kardinal entlassen werden, wenn
er ihn nicht entlassen will? Wie kann der König den Feinden des Kardinals
nachgeben? Ist nicht der König Herr über alle Feinde?«
    »Das sollte man meinen.«
    »Oder steckt sie dahinter? So muss es sein. Er
hat Angst vor ihr, wissen Sie. Sie ist eine Hexe.«
    Er sagt: Seien Sie nicht
albern. George sagt: Sie ist so eine Hexe. Der Herzog von Norfolk sagt das, und er ist
ihr Onkel, er muss es wissen.
    Es ist zwei Uhr, und dann ist
es drei; der Gedanke, dass man nicht zu Bett gehen muss, weil man kein Bett
hat, kann befreiend sein. Er braucht nicht darüber nachzudenken, wann er nach
Hause geht; es gibt kein Zuhause, in das er zurückkehren kann, er hat keine
Familie mehr. Er ist hier und trinkt mit Cavendish, hockt mit ihm in einer Ecke
des großen Saals von Esher, wo sie frieren und müde sind und Angst vor der
Zukunft haben, und das ist besser, als an seine Familie und daran zu denken,
was er verloren hat. »Morgen«, sagt er, »lasse ich meine Leute aus London
kommen, und wir versuchen, Ordnung in Mylords verbliebene Vermögenswerte zu
bringen, was nicht einfach wird, weil sie all seine Papiere mitgenommen haben.
Seine Schuldner werden nicht geneigt sein zu zahlen, wenn sie wissen, was
passiert ist. Aber der französische König hat ihm eine Pension gewährt, und
wenn ich mich richtig erinnere, ist er immer im Verzug ... Vielleicht möchte
er gerne einen Sack Gold schicken, bis Mylord wieder in der Gunst steht. Und
Sie - Sie

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