Mantel, Hilary
ausbalanciert ist. Seine
Augen suchen das Ufer der Themse ab. Immer noch weint der Kardinal und
umklammert seine Hand.
Als sie weiter flussaufwärts
fahren, gibt das Ufer keinen Anlass zur Beunruhigung mehr. Nicht dass die
Engländer in Putney weniger wankelmütig sind. Sie haben es nur noch nicht
gehört.
Die Pferde warten. Als Mann
der Kirche hat der Kardinal immer ein großes starkes Maultier geritten, obwohl
sein Stall jeden Edelmann vor Neid erblassen lässt - schließlich ging er
zwanzig Jahre lang mit Königen auf die Jagd. Hier steht das Tier nun mit
zuckenden langen Ohren und seinem scharlachroten Geschirr, neben ihm Master
Sexton, der Narr des Kardinals.
»Was in Gottes Namen tut er
hier?«, fragt er Cavendish.
Sexton tritt vor und sagt dem
Kardinal etwas ins Ohr; der Kardinal lacht. »Sehr gut, Patch. Nun hilf mir
aufsteigen, sei so gut.«
Aber Patch - Master Sexton -
ist der Aufgabe nicht gewachsen. Der Kardinal scheint geschwächt; er scheint
das Gewicht des Fleisches zu spüren, das er auf den Knochen hat. Er, Cromwell,
gleitet aus dem Sattel und nickt drei Dienern zu, die besonders stämmig sind.
»Master Patch, halten Sie Christophers Kopf.« Als Patch vorgibt, nicht zu wissen,
dass Christopher das Maultier ist, und den Mann neben sich in den Schwitzkasten
nimmt, sagt er: Oh, um Christi willen, Sexton, gehen Sie aus dem Weg, oder ich
stopfe Sie in einen Sack und ertränke Sie.
Der Mann, dem beinahe der Kopf
abgerissen wurde, steht auf, reibt seinen Hals, sagt: Danke, Master Cromwell,
und humpelt nach vorn, um das Zaumzeug zu halten. Er, Cromwell, und zwei andere
hieven den Kardinal in den Sattel. Der Kardinal sieht beschämt aus. »Vielen
Dank, Tom.« Er lacht unsicher. »Lass dir das gesagt sein, Patch.«
Sie sind bereit loszureiten.
Cavendish sieht auf. »Bei allen Heiligen!« Ein einzelner Reiter prescht im
Galopp den Hügel hinunter. »Eine Festnahme!«
»Durch einen einzelnen Mann?«
»Ein Vorreiter«, sagt
Cavendish, und er sagt: Putney ist rau, aber man muss keine Kundschafter
aussenden. Dann ruft jemand: »Es ist Harry Norris.« Harry springt vom Pferd.
Weshalb er auch gekommen ist, es hat ihn in helle Aufregung versetzt. Harry
Norris ist einer der engsten Freunde des Königs; er ist, um genau zu sein, der Groom of the Stool, der Diener des Königlichen
Stuhls, der Mann, der das Mulltuch reicht.
Wolsey ist sofort klar, dass
der König nicht Norris schicken würde, um ihn zu verhaften. »Nun, Sir Henry,
kommen Sie erst einmal zu Atem. Was kann so dringend sein?«
Norris sagt: Bitte um
Verzeihung, Mylord, Mylord Kardinal; er reißt sich die Kappe mit den Federn vom
Kopf, wischt sich mit dem Arm über das Gesicht, lächelt auf das Charmanteste.
Liebenswürdig wendet er sich an den Kardinal: Der König hat ihm befohlen,
Seiner Gnaden nachzureiten, ihn einzuholen und ihm Worte des Trostes zu sagen
und ihm diesen Ring zu geben, den er gut kennt - ein Ring, der in der ausgestreckten
Handfläche auf dem Handschuh liegt.
Der Kardinal klettert von
seinem Maultier und fällt auf die Knie. Er nimmt den Ring und drückt ihn an
seine Lippen. Er betet. Betet, dankt Norris, bittet um Segen für seinen
Herrscher. »Ich habe nichts, das ich ihm schicken kann. Nichts Wertvolles, um
es dem König zu schicken.« Er sieht sich um, als könnte sein Auge auf etwas
fallen, das er schicken kann; einen Baum? Norris versucht, ihm auf die Füße zu
helfen, was darin endet, dass er neben ihm kniet, dass dieser gepflegte und
charmante Mann im Matsch von Putney kniet. Offenbar überbringt er dem Kardinal
hiermit die Botschaft, dass der König nur verärgert zu sein scheint, aber nicht
wirklich verärgert ist; dass er weiß, dass der Kardinal Feinde hat; dass er
selbst, Henricus Rex, nicht zu diesen Feinden gehört; dass die
Machtdemonstration nur dazu dient, diese Feinde zufriedenzustellen; dass er in
der Lage ist, den Kardinal mit dem Doppelten von dem zu entschädigen, was ihm
genommen wurde.
Der Kardinal beginnt zu weinen.
Es fängt an zu regnen, und der Wind bläst ihnen den Regen ins Gesicht. Hastig
und mit gesenkter Stimme redet der Kardinal auf Norris ein, dann nimmt er eine
Kette von seinem Hals und versucht, sie Norris um den Hals zu legen, aber sie
verfängt sich in den Verschlüssen seines Reitumhangs, woraufhin mehrere Leute
herbeieilen, um zu helfen, aber es misslingt ihnen, und Norris steht auf und
beginnt sich mit der einen Hand abzubürsten, während er mit der anderen die
Kette umklammert.
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