Mantel, Hilary
eine
Vorrichtung zum Orangenpressen mit einem großen goldenen »H« darauf.
Zu Beginn des neuen Jahres
verleiht ihm der König einen Titel, den niemand vor ihm gehabt hat: Vicegerent in Spirituals, Generalvikar oder
Stellvertreter des Königs in Kirchensachen. Gerüchte, dass die geistlichen
Häuser abgeschafft werden sollen, haben seit drei Jahren oder länger die Runde
durchs Königreich gemacht. Nun hat er die Vollmacht, Klöster zu besuchen, zu
inspizieren und zu reformieren - zu schließen, wenn notwendig. Es gibt kaum
eine Abtei, deren Angelegenheiten er nicht kennt, aufgrund seiner Ausbildung
durch den Kardinal und der Briefe, die Tag für Tag kommen - einige Mönche
beklagen sich über Misshandlungen und Skandale und die Illoyalität ihrer
Oberen, andere ersuchen um Ämter in ihrer Gemeinschaft und versichern ihm,
dass sie für ein Wort an der richtigen Stelle für immer in seiner Schuld stehen
werden.
Er sagt zu Chapuys: »Waren Sie
jemals in der Kathedrale in Chartres? Sie laufen über das Labyrinth, das in den
Boden eingelassen ist, und es scheint keinen Sinn zu ergeben. Aber wenn Sie ihm
sorgfältig folgen, führt es Sie genau in den Mittelpunkt. Direkt dahin, wo Sie
sein sollten.«
Offiziell reden er und der
Botschafter kaum noch miteinander. Inoffiziell schickt ihm Chapuys ein Fass
mit gutem Olivenöl. Er revanchiert sich mit Kapaunen. Der Botschafter trifft
persönlich ein, gefolgt von einem Diener, der einen Parmesankäse trägt.
Chapuys wirkt traurig und
kühl. »Ihre arme Königin verbringt die Saison kärglich in Kimbolton. Sie hat so
viel Angst vor den ketzerischen Ratgebern ihres Mannes, dass sie all ihr Essen
auf dem Feuer in ihrem eigenen Zimmer zubereiten lässt. Und Kimbolton ist eher
ein Stall als ein Haus.«
»Unsinn«, sagt er energisch.
Er gibt dem Botschafter ein wärmendes Glas Glühwein. »Wir haben sie nur von
Buckden wegziehen lassen, weil sie sich beklagte, dort wäre es feucht.
Kimbolton ist ein sehr gutes Haus.«
»Ah, das sagen Sie, weil es
dicke Mauern und einen breiten Wassergraben hat.« Der Duft nach Honig und Zimt
wird in den Raum getragen, Scheite knistern im Feuer, die grünen Zweige, die
seine Halle schmücken, verströmen ihren eigenen harzigen Geruch. »Und Prinzessin
Mary ist krank.«
»Ach, Lady Mary ist immer
krank.«
»Umso wichtiger, sich um sie
zu kümmern!« Aber Chapuys mildert seinen Ton. »Wenn ihre Mutter sie sehen
könnte, würde das beiden so gut tun.«
»Es würde vor allem ihren
Fluchtplänen gut tun.«
»Sie sind ein herzloser Mann.«
Chapuys trinkt von seinem Wein. »Sie wissen, dass der Kaiser bereit ist, Ihr
Freund zu bleiben.« Eine bedeutungsschwere Pause, in die hinein der
Botschafter seufzt. »Es gibt Gerüchte, dass La Ana verzweifelt ist. Dass
Henrys Blick auf eine andere Dame gefallen ist.«
Er atmet durch und beginnt zu
reden. Henry hat keine Zeit für andere Frauen. Er ist zu beschäftigt damit,
sein Geld zu zählen. Er wird immer verschlossener, er will nicht, dass das
Parlament sein Einkommen kennt. Ich habe Schwierigkeiten, ihn dazu zu bringen,
etwas für die Universitäten herauszurücken oder für seine Bauleute und sogar
für die Armen. Er denkt nur an Geschütze. Munition. Schiffsbau. Leuchtfeuer.
Festungen.
Chapuys zieht die Mundwinkel
nach unten. Er weiß, wann man ihn mit einer Geschichte füttert; wenn er es
nicht wüsste, wäre es ja auch kein Vergnügen, oder? »Als o soll ich meinem
Herrn wirklich sagen, dass der König von England so fest zum Krieg entschlossen
ist, dass er keine Zeit für die Liebe hat?«
»Es wird keinen Krieg geben,
wenn Ihr Herr ihn nicht anzettelt. Wofür er kaum Zeit haben wird, solange er
die Türken an den Hacken hat. Oh, ich weiß, dass seine Schatztruhen bodenlos
sind. Der Kaiser könnte uns alle ruinieren, wenn er wollte.« Er lächelt. »Aber
was hätte der Kaiser davon?«
So wird das Schicksal von
Völkern bestimmt: zwei Männer in einem kleinen Raum. Die Krönungen kann man
vergessen, die Konklaven der Kardinäle, den Pomp und die Umzüge. Auf diese
Weise ändert sich die Welt: Ein Spielstein, der über einen Tisch geschoben
wird, ein Federstrich, der die Aussagekraft eines Satzes ändert, der Seufzer
einer Frau, wenn sie vorbeikommt und in der Luft eine Spur Orangenblüte oder
Rosenwasser zurücklässt; ihre Hand zieht den Bettvorhang zu, das verhaltene
Seufzen von Fleisch an Fleisch. Der König - Meister der Allgemeinheiten - muss
nun lernen, sich an den Details abzuarbeiten,
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