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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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sehen; überflüssig, die Frommen auf die
Straßen zu treiben. Die Mönche, die an seinem Tor leben, sind eine Schande für
ihren Orden, aber sie sind gute Nachbarn. Sie haben ihr Refektorium aufgegeben,
und aus ihren Kammerfenstern dringen abends die Geräusche fröhlicher Essgelage.
Jeden Tag kann man eine Reihe von ihnen antreffen, die im Well with Two Buckets direkt vor seinem Tor trinken.
Die Abteikirche gleicht eher einem Markt, auch einem Fleischmarkt. Das Viertel
ist voller Junggesellen aus den italienischen Kaufmannshäusern, die ihr Jahr in
London absolvieren; er hat sie oft zu Gast, und wenn sie seinen Tisch verlassen
(nachdem ihnen Informationen zum Markt abgezapft wurden), weiß er, dass sie
zum Gelände der Mönche stürzen, wo sich geschäftstüchtige Londoner Mädchen vor
dem Regen unterstellen und darauf warten, entgegenkommende Bedingungen auszuhandeln.
     
    Es ist der 17. April, als der
König ihn besuchen kommt. In der Morgendämmerung gibt es einen Schauer. Aber
um zehn ist die Luft so mild wie Buttermilch. Er ist aufgestanden und sitzt in
einem Sessel, von dem er sich erhebt. Mein lieber Cromwell; Henry küsst ihn
fest auf beide Wangen, greift nach seinen Armen (für den Fall, dass er denken
sollte, er wäre der einzige starke Mann im Königreich) und setzt ihn entschlossen
zurück in den Sessel. »Sie bleiben sitzen und widersprechen mir nicht«, sagt
Henry. »Dieses eine Mal widersprechen Sie mir nicht, Master Secretary.«
    Die Damen des Hauses, Mercy
und seine Schwägerin Johane, sind herausgeputzt wie Walsingham-Madonnen an einem
Festtag. Sie sinken in einen tiefen Knicks, und Henry schwankt über ihnen. Er
ist zwanglos gekleidet: eine Jacke aus Silberbrokat, eine riesige Goldkette auf
der Brust, blitzende indische Smaragde an den Fingern. Er hat die Familienbeziehungen
nicht gänzlich durchschaut, was ihm niemand verübeln kann. »Die Schwester des
Ersten Sekretärs?«, sagt er zu Johane. »Nein, vergeben Sie mir. Ich erinnere
mich jetzt, dass Sie Ihre Schwester Bet zur selben Zeit verloren haben, als
meine eigene liebe Schwester starb.«
    Das ist ein so einfacher,
menschlicher Satz, ausgesprochen von einem König; bei der Erwähnung ihres
jüngsten Verlusts füllen sich die Augen der beiden Frauen mit Tränen, und Henry
wendet sich erst der einen, dann der anderen zu, tupft ihnen sanft mit dem
Zeigefinger die Tränen von der Wange und bringt sie zum Lächeln. Die jungen Ehefrauen
Alice und Jo wirbelt er in die Luft, als wären sie Schmetterlinge, küsst sie
auf den Mund und sagt, er wünschte, er hätte sie als junger Mann gekannt. Die
traurige Wahrheit ist, wie Sie sicher auch schon bemerkt haben, Master
Secretary, dass die Mädchen immer schöner werden, je älter man wird.
    Dann wird das achtzigste Jahr
seine Vorzüge haben, sagt er: Jede trostlose Person wird zur Perle. Mercy sagt
zum König, als spräche sie zu einem Nachbarn: Hören Sie auf, Sir, Sie haben
kein Alter. Henry breitet seine Arme aus und lässt sich von der Gesellschaft
begutachten: »Fünfundvierzig im Juli.«
    Er bemerkt das ungläubige
Schweigen. Es funktioniert. Henry ist erfreut.
    Henry geht umher und
betrachtet all seine Bilder und fragt, wer die Leute sind. Er betrachtet
Anselma, die Königin von Saba, an der Wand. Er bringt sie zum Lachen, als er
Bella hochhebt und in Honor Lisles grauenhaftem Französisch mit ihr spricht.
»Lady Lisle hat der Königin eine Kreatur geschickt, die noch winziger ist. Das
Tier legt immer den Kopf auf die Seite und spitzt die Ohren, als wolle es
sagen: Warum redest du mit mir? Darum nennt sie es Pourquoi.« Wenn er von Anne
spricht, nimmt seine Stimme den Klang des treu liebenden Ehemanns an und
tröpfelt wie klarer Honig. Die Frauen lächeln, sie sind erfreut, dass ihr König
mit so gutem Beispiel vorangeht. »Sie kennen den Hund, Cromwell, sie haben ihn
in ihrem Arm gesehen. Sie nimmt ihn überallhin mit. Manchmal«, und jetzt nickt
er weise, »glaube ich, dass sie ihn mehr liebt als mich. Ja, ich komme erst
nach dem Hund.«
    Er sitzt lächelnd da, hat
keinen Appetit und sieht zu, wie Henry von den Silbertellern isst, die Hans
entworfen hat.
    Henry spricht freundlich mit
Richard, nennt ihn Vetter. Er macht ihm ein Zeichen, dabeizubleiben, als er mit
seinem Ratgeber spricht, und den anderen signalisiert er, dass sie sich etwas
zurückziehen sollen. Was, wenn König Francois das tut oder jenes, soll ich das
Meer selbst überqueren, um irgendeine Vereinbarung zusammenzuflicken, oder

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