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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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an.
»Sind Sie sicher?«, sagt er: Und dann lacht er, ein fröhliches, unbeschwertes
Lachen, das einen glauben lässt, es sei gut, ein Kirchenfürst zu sein.
    »Ungefähr. Aber auf jeden Fall
über fünfzig.« Solche Dinge blieben in der Familie Cromwell oft ein wenig
unklar.
    »Und sie hat die Tortur überstanden?
Sie hat? Ich gratuliere Ihnen beiden. Aber Sie sagen es nicht weiter, ja?«
    Das lebende Resultat der
königlichen Geburtswehen ist die winzige Mary - nicht wirklich eine volle
Prinzessin, vielleicht eine Zwei-Drittel-Prinzessin. Er hat sie gesehen, als
er mit dem Kardinal bei Hofe war, sie war ungefähr so groß wie seine Tochter
Anne, die zwei oder drei Jahre jünger ist.
    Anne Cromwell ist ein zähes
kleines Mädchen. Sie könnte eine Prinzessin zum Frühstück verspeisen. Wie der
Gott des Heiligen Paulus schätzt sie die Menschen nicht wirklich, und ihre
Augen, die klein und durchdringend sind wie die ihres Vaters, blicken kalt auf
alle, die sie verärgern; der Familienwitz ist die Frage, wie London aussehen
wird, wenn unsere Anne Bürgermeisterin wird. Mary Tudor ist eine blasse, kluge
Puppe mit fuchsfarbenem Haar und von größerer Ernsthaftigkeit als der
durchschnittliche Bischof. Sie war kaum zehn Jahre alt, als ihr Vater sie nach
Ludlow schickte, damit sie als Prinzessin von Wales Hof hielt. Es war der Ort,
wohin Katherine als junge Ehefrau gebracht wurde; der Ort, wo ihr Mann, Arthur,
starb; der Ort, wo sie während der Epidemie jenes Jahres selbst beinahe
gestorben wäre und wo sie verlassen, geschwächt und vergessen daniederlag, bis
die Frau des alten Königs persönlich das Geld aufbrachte, um sie in einer
Sänfte nach London zurückbringen zu lassen, was viele qualvolle Tage dauerte.
Katherine hatte ihn versteckt - wie sie so vieles versteckt -, den Schmerz über
die Trennung von ihrer Tochter. Sie selbst ist die Tochter einer regierenden
Königin. Warum sollte Mary nicht über England herrschen? Sie hatte es als
Zeichen angesehen, dass der König zufrieden war.
    Aber jetzt weiß sie es besser.
     
    Sobald das geheime Verfahren eröffnet
wird, bricht sich Katherines angestauter Kummer Bahn. Ihrer Meinung nach hat
der Kardinal Schuld an der ganzen Angelegenheit. »Ich habe es doch gesagt«,
sagte Wolsey. »Ich habe gesagt, dass es so kommt. Die Handschrift des Königs
darin sehen? Den Willen des Königs? Nein, das kann sie nicht. Denn der König
ist in ihren Augen unfehlbar.«
    Seit Wolseys Aufstieg im
Dienst des Königs behauptet die Königin, er habe daran gearbeitet, sie von
ihrem rechtmäßigen Platz als Henrys Vertraute und Beraterin zu verdrängen. Er
hat jedes ihm zur Verfügung stehende Mittel benutzt, sagt sie, um mich von der
Seite des Königs zu vertreiben, damit ich nichts von seinen Projekten weiß und
damit er, der Kardinal, alles dirigieren kann. Er hat meine Zusammenkünfte mit
dem Botschafter von Spanien verhindert. Er hat Spione in meinen Haushalt
geschmuggelt - meine Frauen spionieren alle für ihn.
    Der Kardinal sagt müde: Ich
habe mich nicht auf die Seite der Franzosen geschlagen und auch nicht auf die
des Kaisers: Ich habe mich auf die Seite des Friedens geschlagen. Ich habe sie
nicht davon abgehalten, den spanischen Botschafter zu sehen, nur die
vernünftige Bitte vorgebracht, dass sie ihn nicht allein treffen sollte, damit
ich feststellen kann, welche Unterstellungen und Lügen er ihr auftischt. Die
Damen ihres Haushalts sind vornehme englische Frauen, die das Recht haben,
ihrer Königin zu dienen; duldet sie nach fast dreißig Jahren in England nur
Spanierinnen? Was ihre Vertreibung von der Seite des Königs betrifft, wie hätte
ich das bewerkstelligen sollen? Jahrelang war seine Rede: »Das muss die Königin
sehen« oder »Katherine wird sich freuen, davon zu hören, wir müssen sofort zu
ihr gehen.« Nie hat eine Frau die Bedürfnisse ihres Mannes besser gekannt.
    Sie kennt sie; aber zum ersten
Mal will sie sich ihnen nicht fügen.
    Ist eine Frau zu weiblichem
Gehorsam verpflichtet, wenn das bedeutet, dass sie ihren Status als Ehefrau
verliert? Er, Cromwell, bewundert Katherine: Er sieht sie gern in den
königlichen Palästen; sie ist so breit, wie sie groß ist, eingenäht in
Gewänder, die so vor Edelsteinen strotzen, dass es scheint, als wären sie
weniger für die Schönheit gemacht als zu dem Zweck, Schwerthieben
standzuhalten. Ihr rotbraunes Haar ist verblichen und von grauen Strähnen durchzogen,
zurückgesteckt unter ihrer Giebelhaube erinnert es an die

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