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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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Brandon trinkt und lacht oder singt, und die Schriftstücke
des Tages sind noch nicht unterzeichnet, und wenn Sie ihn drängen, sagt er:
Jetzt muss ich ins Bett, wir gehen morgen auf die Jagd... Wenn Ihre Chance zu
dienen kommt, werden Sie ihn nehmen müssen, wie er ist: ein Fürst, der sich
gern vergnügt. Und er wird Sie nehmen müssen, wie Sie sind, in etwa so wie
diese quadratischen Kampfhunde, die der gemeine Mann am Strick durch die Gegend
zieht. Nicht dass Sie ohne einen wechselhaften Charme sind, Tom.«
    Der Gedanke, dass er oder
jemand anders irgendwann Wolseys Macht über den König haben könnte, ist
ungefähr so realistisch wie der, dass Anne Cromwell Bürgermeisterin von London
wird. Aber er weist ihn nicht völlig zurück. Man hat von Jeanne d'Arc gehört;
es muss ja nicht in Flammen enden.
    Er geht nach Hause und erzählt
Liz von den Kampfhunden. Sie findet den Vergleich erstaunlich treffend. Er
erzählt ihr nichts von dem wechselhaften Charme, falls nur der Kardinal ihn
erkennen kann.
     
    Das Untersuchungsgericht ist
kurz davor, sich aufzulösen und die Angelegenheit zwecks weiterer Beratung
ruhen zu lassen, als die Nachricht aus Rom eintrifft, dass die spanischen und
deutschen Truppen des Kaisers, die monatelang nicht bezahlt wurden, durch die
Heilige Stadt gezogen sind und sich ihren Sold selbst genommen haben. Sie haben
Schatzkammern geplündert und Kunstwerke gesteinigt. Um die Kirche zu verhöhnen,
haben sie gestohlene Messgewänder angezogen und die Ehefrauen und Jungfrauen
von Rom vergewaltigt. Sie haben Statuen und Nonnen zu Boden gestoßen und ihre
Köpfe auf das Pflaster geschlagen. Ein gemeiner Soldat hat die Spitze der
Heiligen Lanze gestohlen, mit der Christus in die Seite gestochen wurde, und
auf dem Schaft seiner eigenen blutrünstigen Waffe befestigt. Seine Kameraden
haben antike Gräber aufgebrochen und die Asche ausgekippt, damit sie vom Wind
davongetragen wird. Der Tiber ist voller frischer Leichen, die Erstochenen und
Erwürgten schwappen ans Ufer. Die schmerzlichste Nachricht ist, dass der Papst
gefangen genommen wurde. Weil der junge Kaiser Karl diese Truppen nominell
befehligt und vermutlich seine Autorität geltend machen wird, um die Situation
zu seinem Vorteil zu verkehren, gerät die Ehesache König Henrys ins
Hintertreffen. Karl ist der Neffe von Königin Katherine, und solange Papst
Clemens in der Gewalt des Kaisers ist, wird er die Gesuche seines Legaten in
England kaum wohlwollend prüfen.
    Thomas More sagt, dass die
kaiserlichen Truppen zu ihrem Vergnügen lebendige Säuglinge auf Spießen
rösten. Das ist typisch More!, sagt Thomas Cromwell. Aber Soldaten tun so etwas
nicht. Sie haben alle Hände voll damit zu tun, alles fortzuschaffen, was sie zu
Bargeld machen können.
    Unter seinen Kleidern trägt
Thomas More, wie allgemein bekannt ist, ein Wams aus Rosshaar. Er schlägt sich
mit einer kleinen Geißel, wie sie auch einige geistliche Orden benutzen. Ihn,
Thomas Cromwell, beschäftigt der Gedanke, dass jemand diese Instrumente zur
täglichen Folter herstellt. Jemand kämmt das Rosshaar zu groben Büscheln, verknotet
sie und schneidet die stumpfen Enden ab, wohl wissend, dass sie den Zweck
haben, unter der Haut abzureißen und nässende Wunden hervorzurufen. Sind es
Mönche, die sie herstellen, die mit gerechtem Zorn knoten und schneiden, die
bei dem Gedanken an den Schmerz, den sie unbekannten Personen zufügen werden,
in sich hineinlachen? Werden einfache Dorfbewohner dafür bezahlt - wie, pro
Dutzend? —, dass sie Geißeln mit gewachsten Knoten machen? Sind Landarbeiter
damit beschäftigt, um die flaue Zeit im Winter damit zu überbrücken? Wenn
ihnen das Geld für ihre ehrliche Arbeit in die Hand gelegt wird, denken die
Hersteller dann an die Hände, die das Produkt halten werden?
    Wir müssen den Schmerz nicht
herbeiführen, denkt er. Er wartet auf uns: eher früher als später. Fragt die
Jungfrauen von Rom.
    Außerdem denkt er, dass man
bessere Arbeit für die Leute finden sollte.
     
    Treten wir einen Schritt
zurück, sagt der Kardinal an diesem Punkt, und betrachten die Situation. Er ist
ernsthaft beunruhigt; es war ihm immer klar, dass es eines der Geheimnisse der
Stabilität in Europa ist, ein unabhängiges Pontifikat zu haben, das sich weder
in den Klauen Frankreichs noch in denen des Kaisers befindet. Aber sein reger
Geist eilt bereits voran, um Henry einen Vorteil zu sichern.
    Angenommen, sagt er - denn in
dieser Notlage wird Papst Clemens auf mich

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