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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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her: 1523.
Und wie lange dauert diese Audienz schon? Sieben Minuten? Sieben Minuten, und
er ist sich bereits sicher. Ein Rückzieher ist sinnlos, Henry würde dich in die
Enge treiben. Wenn du vorrückst, gerät er vielleicht ins Wanken. »Kein
Herrscher in der Weltgeschichte konnte sich je einen Krieg leisten. Kriege sind
nicht erschwinglich. Kein Fürst sagt: >Das ist mein Budget, also kann ich
mir diesen oder jenen Krieg erlauben.< Man fängt einen an, und er verbraucht
alles Geld, das man hat, und dann ist man ruiniert und bankrott.«
    »Als  ich im Jahr 1513 in
Frankreich einmarschierte, eroberte ich die Stadt Therouanne, welche Sie in
Ihrer Rede als ...«
    »Als  Hundeloch, Majestät.«
    »Als  Hundeloch bezeichnet
haben«, wiederholt der König. »Wie konnten Sie das sagen?«
    Er zuckt mit den Achseln. »Ich
war da.«
    Ein Wutanfall. »Und ich auch,
an der Spitze meiner Armee. Hören Sie zu, Master - Sie sagten, ich solle nicht
kämpfen, weil die Steuern das Land ruinieren würden. Wozu ist das Land denn da,
wenn nicht dazu, den Fürsten bei seinen Vorhaben zu unterstützen?«
    »Ich glaube, ich sagte - wenn
Ihre Majestät erlaubt -, dass wir nicht das Gold hätten, um den Feldzug ein
ganzes Jahr lang zu finanzieren. Dass der Krieg das gesamte ungemünzte Gold und
Silber des Landes verschlucken würde. Ich habe gelesen, dass es eine Zeit gab,
in der die Menschen aus Mangel an Münzen Ledermarken austauschten. Ich sagte,
wir würden zu jenen Tagen zurückkehren.«
    »Sie sagten, ich solle meine
Truppen nicht anführen. Sie sagten, das Land könne das Lösegeld nicht
aufbringen, wenn ich gefangen würde. Als o, was wollen Sie? Wollen Sie einen
König, der nicht kämpft? Wollen Sie, dass ich im Haus hocke wie ein krankes
Mädchen?«
    »Das wäre ideal - in
fiskalischer Hinsicht.«
    Der König atmet tief ein. Er
hat geschrien. Jetzt - und es ist gerade noch mal gut gegangen - beschließt er
zu lachen. »Sie plädieren für die Vorsicht. Vorsicht ist eine Tugend. Aber es
gibt andere Tugenden, die Fürsten gebühren.«
    »Stärke.«
    »Ja. Rechnen Sie das durch.«
    »Das hat nichts mit Mut in einer Schlacht zu tun.«
    »Halten Sie mir einen Vortrag?«
    »Es hat etwas mit
Zielstrebigkeit zu tun. Mit Ausdauer. Damit, die Kraft zu haben, mit den
gegebenen Einschränkungen zu leben.«
    Henry durchquert den Raum.
Stampf, stampf, stampf in seinen Reitstiefeln; er ist auf la chasse eingestellt. Er dreht sich um,
ganz langsam, um seine Majestät besser zur Geltung zu bringen: breit und kantig
und strahlend. »Dem wollen wir auf den Grund gehen. Was schränkt mich ein?«

»Die Entfernung«, sagt er.
»Die Häfen. Das Terrain, die Leute. Die Regenfälle im Winter und der Schlamm. Als 
die Vorfahren Ihrer Majestät in Frankreich kämpften, hielt England dort ganze
Provinzen. Von da aus konnten wir die Armee mit Nachschub versorgen. Jetzt
haben wir nur Calais, wie können wir da eine Armee im Landesinneren
unterstützen?«
    Der König starrt in den
silbrigen Morgen hinaus. Er beißt sich auf die Lippe. Baut sich Wut in ihm auf,
brodelt sie, kommt sie sprudelnd zum Siedepunkt? Er dreht sich um, ein heiteres
Lächeln im Gesicht. »Ich weiß«, sagt er. »Wenn wir das nächste Mal nach
Frankreich ziehen, brauchen wir eine Küste.«
    Natürlich. Wir müssen die
Normandie erobern. Oder die Bretagne. Das ist alles.
    »Gute Argumentation«, sagt der
König. »Ich nehme Ihnen das nicht übel. Nur vermute ich, dass Sie keine
Erfahrung mit Politik oder mit der Leitung eines Feldzugs haben.«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein,
keine.«
    »Sie sagten - damals, meine
ich, in dieser Rede vor dem Parlament -, es gebe eine Million Pfund in Gold im
Königreich.«
    »Ich habe eine runde Summe
genannt.«
    »Aber wie sind Sie zu dieser
runden Summe gekommen?«
    »Ich habe eine Lehre in den
florentinischen Banken gemacht. Und in Venedig.«
    Der König starrt ihn an.
»Howard sagte, Sie wären ein einfacher Soldat.«
    »Das auch.«
    »Sonst noch was?«
    »Was hätten Ihre Majestät denn
gern?«
    Der König sieht ihm direkt ins
Gesicht: Das ist ungewöhnlich. Er hält seinem Blick stand, wie es seine
Gewohnheit ist. »Master Cromwell, Sie haben einen schlechten Ruf.«
    Er neigt den Kopf.
    »Sie verteidigen sich nicht?«
    »Ihre Majestät ist in der
Lage, sich selbst eine Meinung zu bilden.«
    »Das kann ich. Das werde ich.«
    An der Tür ziehen die Wachen
ihre Lanzen zurück; die Herren treten zur Seite und verbeugen sich; Suffolk
stürmt herein.

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