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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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steht er und piekst ihn wie
ein Bäcker, der die Grübchen in eine Ladung runder Brotlaibe macht. Cromwells
Fleisch ist fest, dicht und undurchdringlich. Der herzogliche Finger prallt
einfach von ihm ab.
    Bevor sie Esher verließen,
hatte eine der Katzen, die zur Schädlingsbekämpfung herbeigeschafft wurden, in
den Privatgemächern des Kardinals einen Wurf Junge geboren. Welche Anmaßung,
bei einem Tier! Aber halt - neues Leben in den Räumen des Kardinals? Könnte das
ein Omen sein? Eines Tages, fürchtet
er, wird es ein anderes Omen geben: Ein toter Vogel wird aus diesem rußenden
Kamin fallen, und dann - Oh, Weh über uns! - wird endlos davon geredet werden.
    Aber für den Augenblick freut
sich der Kardinal, legt die Kätzchen auf ein Kissen in der herausgezogenen
Schublade einer Truhe und sieht zu, wie sie wachsen. Eins von ihnen ist schwarz
und hungrig, hat wolliges Fell und gelbe Augen. Als  es entwöhnt ist, nimmt er
es mit nach Hause. Er holt das Kätzchen unter seinem Mantel hervor, wo es zusammengerollt
an seiner Schulter geschlafen hat. »Gregory, sieh mal.« Er hält es seinem Sohn
hin. »Ich bin ein Riese, mein Name ist Marlinspike.«
    Gregory sieht ihn an,
argwöhnisch, verwirrt. Sein Blick ist unruhig, seine Hand weicht zurück. »Die
Hunde werden ihn töten«, sagt er.
    Als o zieht Marlinspike nach
unten in die Küche, um stark zu werden und seine tierische Natur auszuleben.
Ein Sommer steht bevor, obwohl er sich dessen Freuden nicht vorstellen kann;
manchmal, wenn er im Garten spazieren geht, sieht er ihn, einen halbwüchsigen
Kater, der wachsam in einem Apfelbaum lümmelt oder auf einer Mauer in der
Sonne schnarcht.
     
    Frühling 1530: Der Kaufmann
Antonio Bonvisi lädt ihn zum Abendessen in sein schönes großes Haus am
Bishopsgate ein. »Es wird nicht spät werden«, sagt er zu Richard, denn er
rechnet damit, dass es sich um die übliche steife Zusammenkunft handelt, bei
der alle schlecht gelaunt und hungrig sind: Selbst ein reicher Italiener mit
einer raffinierten Küche kennt keine hundert Arten, geräucherten Aal oder
gepökelten Schellfisch zuzubereiten. In der Fastenzeit vermissen die Kaufleute
ihr Hammelfleisch und ihren Malvasier, das nächtliche Geächze im Federbett mit
der Ehefrau oder Geliebten; von jetzt an bis Aschermittwoch halten sie ihre
Messer zum Halsabschneiden und Übervorteilen gezückt.
    Aber das Ereignis ist
glanzvoller, als er gedacht hatte; der Lordkanzler ist da, inmitten einer
Gesellschaft von Anwälten und Aldermännern. Humphrey Monmouth, den More einst
eingesperrt hat, sitzt in einiger Entfernung des großen Mannes; More scheint
sich wohlzufühlen und geißelt die Anwesenden mit einer Geschichte über den
großen Gelehrten Erasmus, seinen lieben Freund. Als  er jedoch aufsieht und ihn,
Cromwell, erblickt, verstummt er mitten im Satz; er schlägt die Augen nieder
und ein undurchsichtiger, versteinerter Ausdruck macht sich auf seinem Gesicht
breit.
    »Wollten Sie über mich
reden?«, fragt er. »Das können Sie auch in meiner Anwesenheit tun, Lordkanzler.
Ich habe ein dickes Fell.« Er kippt ein Glas Wein hinunter und lacht. »Wissen
Sie, was Brandon sagt? Er kann sich keinen Reim auf mein Leben machen. Auf
meine Reisen. Vor ein paar Tagen hat er mich als jüdischen Hausierer
bezeichnet.«
    »Und hat er Ihnen das ins
Gesicht gesagt?«, fragt sein Gastgeber höflich.
    »Nein. Der König hat es mir
erzählt. Aber was soll's, Mylord Kardinal bezeichnet Brandon als
Pferdeknecht.«
    Humphrey Monmouth sagt: »Sie
haben inzwischen Zutritt zum Hof, Thomas. Und was denken Sie jetzt, wo Sie
Höfling sind?«
    Alle am Tisch lächeln. Denn
natürlich ist diese Idee völlig absurd, die Situation lediglich vorübergehend.
Mores Leute sind auch nicht feiner, Leute aus der City, aber More ist sui generis ein Gelehrter und ein kluger
Kopf. Und More sagt: »Vielleicht sollten wir das nicht vertiefen. Das sind
heikle Fragen. Auch das Schweigen hat seine Zeit.«
    Ein Ältester der Gilde der
Stoffhändler beugt sich über den Tisch und warnt mit leiser Stimme: »Als  er Platz
nahm, sagte Thomas More, dass er nicht über den Kardinal sprechen wird und auch
nicht über die Lady.«
    Er, Cromwell, lässt seinen
Blick über die Anwesenden schweifen. »Der König überrascht mich jedenfalls. Was
er sich gefallen lässt.«
    »Von Ihnen?«, sagt More.
    »Ich meine Brandon. Sie wollen
auf die Jagd: Brandon spaziert herein und ruft: Fertig?«
    »Zu Beginn der Herrschaft war
es ein ständiger

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