Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
eigentlich für ein mieses, kleines Abenteuer.
    Die Gestalt, die am Türrahmen zum Wohnzimmer lehnte, nahm er gar nicht richtig wahr, weil er den Blick kaum von der Tasche lösen konnte. Verdammt, verdammt, verdammt! Nein! Er würde keine Szene machen, ganz sicher nicht! Er würde sie gehen lassen und wieder einmal seine Wunden lecken, bis der größte Schmerz vorüber war. Schlagartig wurde ihm klar, dass es dieses Mal nicht vorbeigehen würde. Nicht mit dieser Frau! „Man kommt über alles hinweg. Über Affären, sogar über langjährige Beziehungen — aber nicht über Lieben.“ Wer hatte das gesagt? Egal.
    Die Kieselaugen fixierten ihn aufmerksam und todernst. Diese blaugrauen Augen, in denen er sich verlieren konnte …
    „Ich musste über einiges ein paar Nächte schlafen“, sagte Karin von der Tür her.
    „Dachte ich mir.“ Chris wunderte sich, dass seine Stimme funktionierte, trotz des schmerzhaften Krampfes in der Kehle.
    „Ich hab schon mal gepackt.“
    „Seh ich.“
    „Ja, ich meine, wir könnten mal wieder bei mir kampieren.“
    Sein Unterkiefer klappte herunter. „Du … Was?“
    Karin stopfte die Hände in die Hosentaschen und senkte den Blick. „Ich bin ein Esel, Chris. Ein gottverfluchter Esel. Ich kann nicht einfach weglaufen, wenn´s Schwierigkeiten gibt.“ Sie scharrte mit dem rechten Fuß über den Parkettboden. „Und ich kann nicht einfach dir den Schwarzen Peter zuschieben und dich damit allein lassen. Ich … Wenn wir ein gemeinsames Problem haben, sollten wir das in Zukunft auch gemeinsam lösen … Ich denke …“
    Sie sah auf. Chris stand immer noch wie angenagelt im Flur. „Ich denke, du könntest jetzt einfach deine blöde Tasche abstellen und ein Stück näherkommen.“
    Langsam fasste er sich wieder. „Wie nah?“, brachte er mühsam heraus.
    „So nah wie´s geht, Schatz! So nah wie´s geht!“
     
    Sie siedelten nicht mehr um in die Wohnung am Kletterbergpark. Karin schlug stattdessen ein „Picknick“ vor. Also drapierte Chris ein Bettlaken auf der riesigen Couch, stellte Rotwein und Gläser auf den niedrigen Tisch davor und ließ sich viel Zeit bei der Auswahl der Musik. Derweil machte Karin Brote und füllte Schüsselchen mit Gurken, Oliven und eingelegten Tomaten.
    Chris entschied sich für die „Alpensinfonie“ und bei den ersten Klängen des Sonnenaufgangs hockten sie auf der Couch, jeder ein Kissen im Rücken, zwischen sich Brote und Schüsseln, und kicherten wie Teenager.
    Später saßen sie unter „Gretes“ wohlwollendem Blick in der Küche und diskutierten über Annika. Irgendwann fragte Karin: „Chris, wer sagt uns eigentlich, dass ihm eine `Spielkameradin´ für Claudia genügt?“
    Bisher hatte er diesen Gedanken erfolgreich verdrängt. Aber jetzt meldeten sich die „Ameisen“ wieder.
     

Sonntag, 25. November
     
    Laut kreischend sauste Mareike in einer Schussfahrt über die Wellenrutsche ins Wasser, dicht gefolgt von Markus und Frauke. Im Zickzackkurs liefen die drei wieder zur Treppe, um sich erneut in die Tiefe zu stürzen. Die zierliche Frauke war zuerst oben und reckte triumphierend die Faust, bevor sie von Markus angeschoben wurde, um mehr Tempo zu bekommen.
    Karin hatte gestern den Vorschlag gemacht, als sie die Seibolds besuchten, deren Trauer so schwer über allem lag, dass Chris meinte, sie greifen zu können. Monika wurde von Selbstvorwürfen beinahe zerfressen, weil sie sich die Schuld am Tod ihrer Tochter gab. Wenn sie den Lakritzschnecken Bedeutung beigemessen hätte, wenn sie Claudia gefragt hätte, woher die waren … Wolfgang schien zunächst in Gedanken weit weg, ehe er Fotos von Claudia herauskramte und mit stockender Stimme die entsprechenden Geschichten dazu erzählte: Die Taufe, die ersten Worte und unsicheren Schritte, die Einschulung.
    Bei einer Tasse Kaffee fragte Karin dann, ob die Zwillinge vielleicht Lust hatten, den Frauke versprochenen Tag im Erlebnisbad mitzumachen. Markus und Mareike nahmen den Vorschlag laut jubelnd auf und als Monika über diesen Jubel sogar lächelte, war die Sache beschlossen.
    Jetzt räkelte sich Chris in einem Liegestuhl und fand Erlebnisbad mit einem Mal doch nicht so schlecht. Die Luft war wohlig warm, künstliche Palmen und Schlingpflanzen gaukelten Tropenatmosphäre vor und das Blubbern der heißen Quelle wirkte einschläfernd.
    Um nicht wirklich wegzudämmern, setzte er sich auf und sah den Kindern zu, die von der Rutsche in eine künstliche Grotte gewechselt waren und im flachen Wasser

Weitere Kostenlose Bücher