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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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meldete sich der kleine Gnom in ihm, der ihm manchmal den Spiegel vorhielt.
    Er beschloss, die Antwort auf später zu vertagen.
     
    Chris stoppte die Zeit, die sie zurück in die Kölner Innenstadt brauchten. Fünfunddreißig Minuten bis zu seinem Tiefgaragenplatz. Das war akzeptabel.
    Er sprang schnell ins Büro, um der Nixe die Neuigkeit zu verkünden und hinterließ, wo er die nächsten ein, zwei Stunden zu finden war. Seit gestern tat er keinen Schritt ohne Handy oder eine entsprechende Information an die Nixe. Jeden Moment rechnete er mit einem Anruf, der bestätigte, dass man Sonja tot aufgefunden hatte.
    Auch jetzt, in der griechischen Taverne, wo sie manchmal zu Mittag aßen, legte er das Handy griffbereit neben sich.
    Er wählte das „Dienstagsmenü“ — Suflaki mit Reis und Salat — und eine unsinnige Hoffnung keimte in ihm auf. Dienstag! Alle Kinder waren freitags verschwunden. Claudia war am Sonntagabend gefunden worden, Annika schon samstags. Hieß das vielleicht, dass Sonja nichts mit den beiden anderen Kindern zu tun hatte? Dass es eine ganz andere Erklärung für ihr Verschwinden gab?
    „Dein Sofa passt wunderbar an die lange Wand im Wohnzimmer“, holte Karin ihn in die Gegenwart zurück. „Meine Couch sieht da verloren aus.“
    „Dann kommen aber deine Regale daneben“, beharrte Chris. Die Diskussion, die er befürchtet hatte, ging schon los.
    „Und der Sekretär? Der Schrank?“
    „Den Sekretär nehm ich in mein Arbeitszimmer und den Schrank verkaufen wir.“
    „Kommt nicht infrage!“
    „Karin! Der Schrank wird in keines der Zimmer passen. Die Decken sind einfach nicht hoch genug.“
    „Werden wir ausmessen“, entschied Karin brummig. Was sie am meisten an seiner Wohnung liebte, war außer der Couch eben jener extrem hohe Schrank.
    Alles andere regelten sie problemloser, als Chris befürchtet hatte. Beim Essen richteten sie „ihr“ Haus ein und plötzlich konnte er sich vorstellen, in seinem Arbeitszimmer auch wirklich zu arbeiten. Das tat er in seiner Wohnung nämlich kaum. Er hatte sich mit dem Raum nie Mühe gegeben, ihn eigentlich nur als Ablage für diverse Fachliteratur genutzt und lieber am Küchentisch gearbeitet.
    Er schob sich gerade das letzte Stück Fleisch in den Mund, als Karin mit dem Kopf zum Eingang das Lokals deutete. „Chris!“
    Eine dünne Gestalt sah sich suchend um und steuerte schließlich zielstrebig auf ihren Tisch zu.
    „Ich wollte euch nicht per Telefon informieren“, erklärte Susanne knapp, während sie den Mantel aufknöpfte. „Die Nixe hat mir gesagt, wo ihr seid.“
    Sie zog sich einen Stuhl heran und stibitzte eine Olive aus Karins Salat. Chris sah sie leicht irritiert an. Sie trug einen hellblauen, modisch geschnittenen Blazer, wieder einmal Lidschatten, und wenn ihn nicht alles täuschte, sogar einen Hauch von Wimperntusche.
    „Am Karlscheurer Weiher“, begann die Kommissarin und nagte den Olivenkern ab. „Ähnliches Bild wie bei Annika: Kerze, Seidenschal, zugedeckt. Diesmal mit einem Lodenmantel. Die Stelle ist vom Uferweg kaum einsehbar, und bei dem Mistwetter die letzten Tage war da sicher kein Mensch unterwegs. Ein Student, der Querfeldeinlauf trainiert, hat sie heute früh gefunden.“
    Karin schob ihren Teller weg. „Karlscheurer Weiher, sagst du. Könnten wir uns da frei bewegen? Wir sollten uns das mal ansehen.“
    „Nein, das sollten wir mit Sicherheit nicht!“, mischte Chris sich ein. Sein Ton klang schärfer als beabsichtigt, aber er hatte die Bilder von Claudias Leichnam sofort wieder im Kopf. Und jetzt noch ein totes Kind sehen zu müssen, verursachte ihm Übelkeit.
    Er vertraute fest darauf, dass Susanne Karins Wunsch ablehnen würde. Aber sie sah Karin nur erstaunt an. „Was versprichst du dir davon?“
    „Weiß nicht“, nuschelte Karin ausweichend.
    „Hellwein ist noch draußen“, sagte Susanne. „Ich geb ihm Bescheid, damit ihr hinter die Absperrung könnt. — Ich muss erst mal ins Präsidium.“
    „Seid ihr zwei jetzt völlig meschugge?“, platzte Chris heraus.
    Aber die beiden Frauen nahmen ihn nicht zur Kenntnis.
     
    Mit verschränkten Armen und gemischten Gefühlen saß er auf dem Beifahrersitz und schwieg eisern. Er gab sich der Hoffnung hin, dass man die Leiche vielleicht schon in die Rechtsmedizin transportiert hatte und redete sich gut zu. Schließlich waren solche Tatortbesichtigungen sinnvoll. Andererseits: Die ganze SOKO Claudia war mit Sicherheit schon da gewesen. Was sollten sie also noch

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