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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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können.
    Während Karin ihn zum Arbeitszimmer begleitete, bemühte er sich, ihr fehlendes Bein zu ignorieren. Es war Unsinn, natürlich. Aber er fühlte sich wohler in seiner Haut, wenn sie die Prothese trug.
    Seine Vorgesetzte schlief tief und fest. Das hagere Gesicht war völlig entspannt. Eine Hand lag unter dem Kopf, die andere klemmte unter dem Kinn.
    „Sie hat stundenlang einfach dagelegen“, erklärte Karin leise. „Dann hab ich ihr zwei große Tassen Brühe eingeflößt und seitdem schläft sie. Wir werden uns natürlich hüten, sie zu wecken.“
    „Tut mir Leid, dass ich Sie beide da mit reingezogen habe.“ Hellwein schluckte hart und sah auf die friedlich schlummernde Susanne. Es war ein beruhigendes Bild.
    „Kein Problem“, antwortete Karin. „Sie waren in der Situation nun mal hilflos.“
    Und feige, setzte Hellwein im Stillen hinzu.
     
     

Sonntag, 2. Dezember
     
    Wenn man verdrängte, dass Susanne im Nebenzimmer lag, war es fast ein normales Wochenende. Samstag ging Chris einkaufen und wischte später Staub, während Karin auf einem hohen Schemel saß und einen Berg Bügelwäsche abarbeitete.
    Heute früh bastelte sie aus Fichtenzweigen ein Adventsgesteck und dekorierte es mit goldfarbenen Sternchen, während Chris einen Teller mit weihnachtlichen Leckereien füllte. Wobei so manches Marzipankartöffelchen und Dominosteinchen den Teller gar nicht erst erreichte, sondern gleich aus der Tüte in seinen Mund wanderte.
    Ab und zu klapperte die Tür des Arbeitszimmers und Susanne wankte aufs Klo. Wenn sie sich wieder hinlegte, nutzte Karin jeweils die Gelegenheit, sie mit Suppe zu füttern. Die Polizistin schluckte alles brav, ansonsten blieb ihr Zustand unverändert. Abwesender Blick, stumm wie ein Fisch.
    Karin gab keinerlei Kommentar mehr ab. Aber Chris sah ihr an, was sie dachte. Und auch er selbst wurde von Stunde zu Stunde unruhiger. Bald musste was passieren. Susanne konnte nicht ewig aufs Klo gehen, Suppe essen und schlafen.
    Er beschloss, bis Montag zu warten. Wenn sich bis dahin nichts getan hatte, würden sie um Glückspillen und Nervenarzt nicht mehr herumkommen.
    Am Samstag war Hellwein zwei Mal da gewesen. Heute früh wieder. Da lagen tiefe Schatten unter seinen Augen und er war unrasiert. Er warf einen kurzen Blick auf seine schlafende Chefin und beantwortete die stumme Frage von Chris mit einem Achselzucken: Sonja Böhm blieb verschwunden.
    Am Nachmittag breitete Karin jede Menge Abzüge der Loire-Bilder auf dem Esstisch aus und beriet mit Chris, welche für den Verlag geeignet sein könnten. Mit seinem Laienblick sah er manchmal ein Foto völlig anders, als Karin es tat, und oft genug wählte er eine Aufnahme, die künstlerisch vielleicht nicht so wertvoll war, aber in einem Reiseführer mehr aussagte.
    Er nahm sich viel Zeit, umrundete den Tisch mehrmals langsam. Ab und an schlürfte er einen Schluck Kaffee aus dem Becher in seiner linken Hand, mit der rechten grabbelte er immer wieder in dem Adventsteller, der in der Mitte des Tisches stand und griff zielsicher die Pfeffernüsse heraus. Vor einem Bild, das wie ein Ölgemälde wirkte, blieb er lange stehen. Das Wasser der Loire schien unbewegt, ein flacher Kahn hing an einer Sandbank fest, darüber ballten sich dunkle Wolken zusammen, die sich im Fluss spiegelten. Karin hatte es auf der Rückfahrt aufgenommen. Da waren sie noch unbeschwert und fröhlich gewesen, hatten nicht geahnt, dass ein Irrer die Stadt in Angst und Schrecken versetzen würde.
    Die Tür des Arbeitszimmers klapperte. Ein schon vertrautes Geräusch. In ein paar Sekunden würde die Tür zum Bad geöffnet werden, kurz darauf würde man die Klospülung hören …
    „Gibt´s in diesem komischen Hotel auch was anderes als Suppe? ´ne Zigarette vielleicht?“
    Erschrocken fuhren Karin und Chris zusammen und blickten auf die magere Gestalt in der Wohnzimmertür, die mit einer Hand krampfhaft die viel zu große, gestreifte Hose festhielt.
    Trotz der Überraschung konnte Chris sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er Susanne die Packung zuwarf, die sie geschickt mit der freien Hand fing.
    „Wenn du gedacht hast, ich lass die Hosen runter, hast du dich getäuscht, Sprenger!“ Sie kniff die Augen zusammen und grinste breit.
    Mit sicheren Schritten ging sie zum Esstisch, zog einen Stuhl heran und setzte sich. Nachdem sie eine Zigarette aus der Packung gefingert hatte, legte sie den Kopf schief und betrachtete die Bilder.
    „Loire?“, fragte sie kurz. Sie war wie

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