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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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dort?
    Als sie unter der Absperrung hindurchkrochen, war die Spurensicherung emsig bei der Arbeit. Es wurden Erdproben genommen, Fotos gemacht, die nähere Umgebung mit einer Videokamera aufgenommen. Weiter entfernt schimmerten Uniformen zwischen den kahlen Bäumen. Die Beamten hatten eine Kette gebildet und suchten alles rund um den kleinen See ab. Hinter ihnen knackte ein Funkgerät und gleich darauf hörte man eine verzerrte Stimme.
    Zu seiner Verwunderung sah Chris niemanden von der Presse. Es war wohl gelungen, den Leichenfund geheim zu halten — noch.
    Er fing Hellweins fragenden Blick auf, zuckte die Schultern und stapfte Karin hinterher, die zielstrebig auf einen Baum zuging, vor dem ein grauer Zinksarg stand. Offenbar lag Sonja schon darin und Chris atmete auf.
    Karin blickte lange auf den Sarg, der viel zu groß war für so einen kleinen Menschen. Noch länger fixierte sie eine knallgelbe Schultasche, die ein Stück weiter weg im Matsch lag. Dann drehte sie sich um und sah angestrengt über das Wasser und auf das Inselchen in der Mitte des Weihers. Als sie mühsam in die Hocke ging, schwammen ein paar Enten heran, die in dem trüb-braunen Wasser dümpelten. Aufmerksam fixierte sie die unbelaubten Büsche und das verlassene Schwanennest am Ufer des Eilands. Plötzlich wirkte sie wie ein Hund, der Witterung aufgenommen hat.
    Sie zog sich an ihrem Gehstock hoch und ging mit gerunzelter Stirn langsam in nördliche Richtung. Ab und zu blieb sie stehen, ging wieder in die Hocke und betrachtete die Insel. Irgendwann drehte sie sich um, ging wortlos an Chris vorbei und wiederholte die Prozedur nach Süden hin.
    Eisige Windböen kräuselten das Wasser und ließen Chris frösteln. Prasselndes Kaminfeuer und eine glühend heiße Tasse Kaffee, das wär´s jetzt, dachte er seufzend. Aber er spürte auch Karins Anspannung. Die gleiche Anspannung, die sich immer einstellte, wenn sie auf der Suche nach der vollkommenen Perspektive war.
    Sie kam zurück und stellte sich noch einmal neben den Baum, an dem Sonja gestorben war. Schließlich nickte sie und bestimmte: „Wir fahren zum Weisser Bogen.“
    „Verdammt, Karin! Da warst du schon mal!“
    Dann bin ich da eben ein zweites Mal“, antwortete sie lapidar. „Du musst ja nicht mitfahren.“
    Chris schluckte eine Erwiderung hinunter. Wenn Karin sich so verhielt, musste es wichtig sein. Offenbar war sie auf einer Spur, und vielleicht löste sie einen Fall, in den sie ohne ihn nie hineingeraten wäre. Also hielt er den Mund.
    Am Weisser Bogen fand Karin mit ihrem sicheren Gespür und dem Blick der Fotografin auf Anhieb den Baum wieder, an dem Annika gelegen hatte. Wieder schritt sie das Ufer ab, während Chris frierend von einem Bein aufs andere trat. Hier, direkt am Fluss, fegte der Wind noch stärker und langsam starben seine Füße ab, die Nase sowieso. Das braune Wasser, das beständig an die Ufermauern schwappte, reizte auch noch seine Blase. Im Sommer war es hier traumhaft schön. Man konnte stundenlang unter den Bäumen sitzen und die vorbeifahrenden Schiffe beobachten, oder den ehemaligen Treidelpfad entlangspazieren und die alten Villen bewundern, die sich pompös dahinter erhoben. Jetzt aber war es ein ziemlich unwirtlicher Platz, an den sich kaum jemand verirrte.
    Endlich kam Karin zurück, schaute sich noch einmal um und nickte wieder. „Ich glaube, Susanne sollte sich das ansehen“, sagte sie ernst.
     
    Während sie auf Susanne warteten, wässerte Chris eine Schneebeerenhecke und versuchte dann, Karin zu entlocken, was denn nun los war. Aber sie ließ ihn mit einem „Wirst schon sehen“ einfach abblitzen.
    Susanne war anzusehen, dass es ihr ganz und gar nicht behagte, sich hier herumtreiben zu müssen. Erst als Karin sie zu Annikas Baum führte und fragte: „Was seht ihr?“, wich der mürrische Zug um ihren Mund.
    Aufmerksam sahen sie sich um. Sie standen parallel zum Fluss und hatten damit genau das Panorama vor Augen, das Annika gesehen hätte, wenn sie nicht betäubt und kurz darauf tot gewesen wäre.
    „Wasser“, sagte Susanne.
    „Viel Natur auf der anderen Seite“, ergänzte Chris.
    „Wunderschöne Aussicht, oder?“, hakte Karin nach.
    Das war es tatsächlich. Hinter den Bäumen am gegenüberliegenden Ufer lugten vereinzelt Spitzgiebelhäuser hervor. In der Strömung kämpfte sich ein Schlepper mühsam flussaufwärts und ließ die fest vertäuten Boote im Porzer Yachthafen schaukeln. Ein perfekt komponiertes Bild, dessen Harmonie durch nichts

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