Mantelkinder
Wäldchen.“
„Wer ist wir?“, hakte Susanne nach.
„Meine … meine Freundin und ich.“ Der Junge schluckte hart und Susanne sah, wie sich die blonden Härchen auf seinen Armen aufstellten.
„Also kann Ihre Freundin die Aussage bestätigen?“
„Äh, eigentlich … sie ist … Sie müssen verstehen …“
„Minderjährig, was?“, blaffte Schneider. Seine Stimme war hart und kratzig. Sie passte zu seiner bulligen Gestalt und seinem ungehobelten Auftreten.
Sebastian lief puterrot an, aber er schüttelte tapfer den Kopf. „Sie ist … ihre Eltern sind Muslime. Türkische Aleviten, wenn Sie wissen, was ich meine.“
„Ah! Und die haben was dagegen, wenn ihr Töchterlein mit einem Deutschen vögelt. Ist schon klar.“ Schneider setzte ein hässliches Grinsen auf, und hinter seinen fleischigen Lippen wurde eine Reihe gelber Zähne sichtbar.
„Vergessen wir Ihre Freundin“, griff Susanne schnell ein. Sie wäre dem Kollegen am liebsten an die Gurgel gegangen. „Erzählen Sie weiter, Sebastian.“
„Wir haben … wir waren im Auto …“
„Verstehe“, sagte Susanne. „Auf dem westlichen Parkplatz?“
„Ja … weil … auf der anderen Seite ist doch die Kneipe, und da … es kommen da schon mal Leute.“
„Sie sind also auf den anderen Parkplatz gefahren, um Ihre Ruhe zu haben“, half sie ihm. Sie sah Schneider an, dass er etwas weniger Unverfängliches auf der Zunge gehabt hatte.
„Ja, genau!“, griff Sebastian den Strohhalm auf. „Wir sind … so gegen neun waren wir da. Und da … da stand noch ein anderer Wagen. Genau … genau unter der Laterne. Wir haben danach nicht mehr so viel … Als wir wieder fuhren, war der Wagen weg.“
„Und?“ Susanne hielt unwillkürlich die Luft an und sah zu Hellwein, der mit dem Hintern an der Fensterbank lehnte und eifrig mitschrieb.
„Na, ich hab mir ja nix dabei gedacht, aber als Ihre Typen mich letzte Nacht angesprochen haben … ich war … ich war da mit meiner Freundin verabredet, da ist es mir eben wieder eingefallen.“
„Was genau ist Ihnen wieder eingefallen?“
„Dass der ´ne verdammt dicke Beule hinten hatte. Ich dachte noch, dass das ziemlich teuer wird. Neue Heckklappe, Kotflügel und so. Aber vielleicht denkt der Besitzer ja, bei einem Fiesta aus der Vierer-oder Fünferreihe lohnt das nicht mehr.“
Hellweins Hand mit dem Stift darin blieb in der Luft stehen. „Bitte?“
Sebastian grinste schwach, als er erklärte: „Ich hab bei Ford gelernt und einen Blick für so was. Die genaue Typenbezeichnung war durch die Beule nicht mehr zu erkennen. Aber aus der neuesten Baureihe, der sechsten, stammte der garantiert nicht. Und aus der dritten war er auch nicht, wenn überhaupt noch welche rumfahren. Also war´s ein Vierer oder Fünfer. Nachtblau würd ich sagen, sah im Laternenlicht jedenfalls so aus.“
Eine halbe Stunde später platzte Schneider in Susannes und Hellweins Büro. Als er seinen massigen Körper auf den wackligen Besucherstuhl fallen ließ, vergaß sie einen Augenblick lang das Atmen. Böse Zungen behaupteten, die Möbel der Todesermittler stammten noch aus der Zeit, als Polizisten Pickelhauben trugen, und Susanne erwartete seit Jahren, dass der Stuhl mit dem verschlissenen grünen Polster in sich zusammenfiel. — Das Holz krachte, aber er hielt.
Schade, dachte Susanne enttäuscht. Man macht nicht gerade ein intelligentes Gesicht, wenn einem der Stuhl unterm Hintern wegbricht. Und das von Schneider hätte sie gern gesehen.
„Ich brauch mehr Leute!“, schnauzte er los. „Ist euch klar, wie viele Fiestas zugelassen sind?“
„Nein“, antwortete Hellwein langgezogen. Er konnte Schneider ebenso wenig ausstehen wie Susanne. „Aber du wirst es uns sicher gleich verraten.“
„Kreis Köln und Bergheim: Dreizehntausendsiebenhunderteinundachtzig. Wenn wir noch Siegburg, Euskirchen, Gummersbach mit einbeziehen …“
„Und wie viele davon stammen aus den entsprechenden Baureihen?“, unterbrach Susanne ihn gelassen.
„Rund dreitausend allein mit Kölner Kennzeichen.“
Susanne wartete vor dem Kiosk, in dem sich Claudia kurz vor ihrem Verschwinden Brausebonbons geholt hatte. Sie wärmte sich die Hände an einem Pappbecher mit Kaffee, ihre knochigen Schultern waren hochgezogen und die Nase rot.
Sie wollte in der Nähe eine Anwohnerin befragen, die vielleicht eine wichtige Beobachtung gemacht hatte. Als Chris sie anrief, etwas von Lakritzschnecken erzählte und davon, dass sie auf dem Weg nach Sülz
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