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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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übermäßig und hatte einen enormen Verbrauch an Papiertüchern.
    „Sie sind fast durch“, antwortete er und rutschte unruhig auf dem Besucherstuhl mit dem zerschlissenen Polster herum. „Nur die Sperrgutcontainer am Uni-Center bleiben praktisch noch offen. Hansen hat recherchiert, dass das Gebäude über sechs Müllschlucker-Systeme verfügt. Die sind Montag in aller Herrgottsfrühe geleert worden. Da waren wir also zu spät. Aber es gibt noch zwei Sperrgutcontainer im Hof. Die werden nur alle paar Wochen von einem privaten Unternehmen abgeholt.“
    Susanne überlegte kurz. Auf ihrem Weg nach Hause hatte Claudia zwangsläufig an dem zweiundvierzigstöckigen Bau vorbeigemusst. Aber war es sinnvoll, dort nach dem Rucksack und ihrem Roller zu suchen? Der Täter hätte doch beides mit Sicherheit nicht in Claudias Beisein entsorgt. Also musste er sich der Dinge nach der Tat entledigt haben. Und wahrscheinlich eher in Gremberg, in der Nähe des Tatorts. Es sei denn, er wohnte im Universitätsviertel, kannte die Container und war nach der Tat dorthin zurückgekehrt.
    „Hansen soll sie durchsuchen lassen“, entschied Susanne.
    Klippstein nickte. „Gut, geb ich ihr weiter. Sollen wir uns auch die Bewohner des Uni-Centers vornehmen?“
    „Bloß nicht! Das bringt uns keinen Schritt weiter.“ Als sie Klippsteins verständnislosen Blick sah, lächelte sie freudlos. „Du warst da noch nie drin, was? In den normalen Appartements kannst du nicht mal ein Fenster öffnen, da gibt´s Klimaanlagen. Die Balkons der anderen Wohnungen liegen allesamt entweder an der Luxemburger oder an der Universitätsstraße, den verkehrsreichsten in der ganzen Stadt. Es ist November. Da stellt sich keiner freiwillig raus und friert sich den Hintern an, nur um eine Nase voll Kohlenmonoxid zu nehmen, und dabei beobachtet er auch noch zufällig, wie Claudia in einen Wagen steigt. Mal ganz davon abgesehen, dass man in den oberen Stockwerken schon ein Fernglas braucht, um Einzelheiten zu erkennen. Nein, konzentriert euch auf die Studenten und Passanten in der Gegend. Da werden auch genug Leute aus dem Uni-Center dabei sein.“
    „Die Düsseldorfer sind wohl bald soweit“, verkündete Klippstein, um seiner Vorgesetzten wenigstens eine positive Nachricht zu übermitteln. Bisher hatten sie nämlich keine vielversprechenden Spuren.
    „Wenigstens etwas“, sagte Susanne denn auch. Normalerweise brauchte das LKA für eine Gen-Analyse und den Abgleich mit ihrer Datenbank fast fünf Monate, weil die Labore einfach überlastet waren. So brutale Verbrechen, wie das an Claudia begangene, genossen jedoch Priorität. Ebenso bei den Spezialisten, die das Täterprofil erstellten.
    Große Hoffnung, dass sich die DNA des Täters schon in ihrer Datei befand, hatte Susanne nicht. Sie hatte einfach im Gefühl, dass er noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Das Täterprofil erwartete sie jedoch mit Spannung. Vielleicht half ihr das, sich in die Psyche des Mannes hineinzudenken. Das bereitete ihr nämlich erhebliche Schwierigkeiten. Alles deutete bisher darauf hin, dass die Tat bis ins kleinste Detail geplant worden war. Er hatte nichts dem Zufall überlassen und war mit erschreckender Pedanterie vorgegangen. Und Susanne fand einfach keinen Zugang zu dem Menschen, der einerseits eine so unglaubliche Brutalität an den Tag legte und gleichzeitig mit der übertriebenen Genauigkeit eines Buchhalters handelte.
    Als Klippstein gegangen war, sah sie über ihre Lesebrille hinweg zu Hellwein, der völlig versunken vor einem Berg Akten saß. Um ihn herum waren Blätter, Schnellhefter und staubige Ordner auf dem Boden verteilt, die er aus dem Archiv gegraben hatte. Dazwischen lagen meterlange Faxe anderer Polizeidienststellen.
    „Und?“, schreckte Susanne ihn auf.
    „Außer, dass ich mir da unten eine Staublunge geholt hab, nix Neues“, gab er zurück. „Bis wir auch die alten Sachen mal alle digitalisiert haben, geh ich wahrscheinlich in Rente. Ich hab das mal kurz zusammengestellt.“
    Er griff unter ein Fax, das sich wie eine Schlange über seinen Schreibtisch wand, zog ein Blatt Papier hervor und reichte es Susanne herüber. Sie stöhnte unwillkürlich auf. Hellweins Schrift war ihr auch nach all den Jahren noch ein Rätsel. Jahre, in denen ihre Beschwerden über seine „Fliegenschisse“ unerhört geblieben waren. Sie war nach wie vor winzig klein und krakelig. Zumindest aber hatte er ein normal großes Papier beschrieben.
    Susanne brauchte eine Weile,

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