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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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waren, um Claudias Heimweg abzugehen, erschien es ihr das Einfachste, sich hier zu verabreden. Wenn sie allerdings geahnt hätte, dass sie halb erfroren sein würde, bis die beiden auftauchten …
    „Wo bleibt ihr denn, verdammt?“, fluchte sie los, als Karin und Chris endlich um die Ecke bogen.
    „Stau auf allen Brücken. Wie immer“, erklärte Chris entschuldigend und deutete mit dem Kopf auf den Becher in ihrer Hand. „Wie ist der?“
    „Zumindest heiß. Geschmacklich irgendwas zwischen Teer und Schwefelsäure.“
    Chris bestellte trotzdem zwei, während Susanne von Sebastian erzählte. „Der Junge hat natürlich nicht aufs Nummernschild gesehen“, schloss sie. „So, wie die anderen Zeugen auch nicht. Der Wagen kann also theoretisch in Wolkenkuckucksheim oder Hintertupfingen zugelassen sein.“
    „Was ist mit den von euch aufgenommenen Unfällen?“, wollte Chris wissen. Er nippte an seinem Kaffee, verzog das Gesicht und setzte leise hinzu: „Mein Gott, gleich brauch ich ´nen Notarzt.“
    „Sag ich doch. Tja, ohne Ergebnis. Wenn du einen Unfall ohne Personenschaden baust und dich mit deinem Gegenüber einigst, musst du ja nicht unbedingt die Polizei hinzuziehen.“
    „Aber der Schaden wird doch der Versicherung gemeldet“, schaltete Karin sich ein.
    „Sicher“, bestätigte Susanne. „Eine Anfrage an die Gesellschaften läuft. Aber das wird dauern. Wir konzentrieren uns jetzt erst mal auf die Fahrzeughalter hier in der Gegend und in Gremberg. So, und nun erzählt mal von den Lakritzschnecken.“
     
    ********
     
    „Wieso hat Susanne nicht gemeckert?“, fragte Karin, als sie vom Kiosk Richtung Stauderstraße gingen.
    „Vielleicht weil die Information zu wichtig war“, erwiderte Chris. „Die Henninger hat doch eindeutig belegen können, dass die Lakritze bei ihr gekauft wurde. Du hast den Zahlencode auf den anderen Tüten gesehen. Der Täter hat also wahrscheinlich eine Verbindung nach Gremberg, wenn er da nicht nur das Kind umbringt, sondern dort auch einkauft. Und er hat eine Verbindung nach Sülz, denn hier hat er Claudia mitgenommen.“
    „Er wohnt in Gremberg und arbeitet in Sülz.“
    „Oder andersherum. — Sieh mal, das muss der Frisörladen sein. Der Besitzer ist der letzte, der Claudia lebend gesehen hat.“
    Karin blieb stehen und musterte kurz das schmale Schaufenster, das mit Haarpflegmitteln und Modeschmuck dekoriert war. Dann schwang sie sich auf ihren Krücken weiter zu der großen Kreuzung, über die Monika ihre Tochter die ersten Wochen zur Schule gebracht hatte.
    Dahinter war der mit Schlaglöchern übersäte Universitätsparkplatz, rechts flankiert von den hässlichen Betonsäulen des Uni-Centers, links vom flachen Gebäude der alten Mensa.
    Zielstrebig ging Karin über den Parkplatz und versuchte, den vielen Pfützen auszuweichen. Sie gab keinen Kommentar ab, aber Chris wusste, dass ihr nichts entging. Ihr geschultes Fotografenauge sah jede Einzelheit, scannte beinahe die Umgebung.
    Über einen matschigen Trampelpfad erreichten sie die Grünanlage, die sich durch das Universitätsviertel zog. Dahinter lag das Physikalische Institut, neben dem ein asphaltierter Weg geradewegs in die Stauderstraße führte.
    Chris hatte während seiner Studienzeit oft hier auf einer der Bänke gesessen und Paragraphen gepaukt. Im Prinzip war alles unverändert. Die offenen Grünflächen wurden nur hier und da von einem schmalen Gebüsch abgegrenzt. Und sogar jetzt, an einem grauen Novembertag, war die Anlage belebter als manche Nebenstraße. Studenten mit den unvermeidlichen Handys am Ohr hasteten vorbei und strebten der Mensa zu; auf einem kleinen Spielplatz buddelten ein paar Kinder im Sand, während ihre Mütter mit hochgeschlagenem Mantelkragen daneben standen und froren; Hunde wurden ausgeführt, Kinderwagen geschoben, eine kleine Truppe alter Männer spielte Boule.
    Es war kaum möglich, dass man an diesem Ort ein Kind gewaltsam verschleppte, ohne dass es jemand merkte. Wenn Claudia also hier ihrem Mörder begegnet war, musste sie freiwillig mit ihm gegangen sein, ihn tatsächlich gekannt haben.
    Karin blieb abrupt stehen und drehte sich langsam einmal um die eigene Achse. Sie schien jedes welke Blättchen, jeden Grashalm in ihrem Gedächtnis zu speichern.
    „Hier also!“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    „Hier, auf dem Parkplatz, an der Kreuzung oder hinter den Uni-Gebäuden“, warf Chris ein.
    Aber Karin schüttelte den Kopf. „Nein! Ich wette, es war

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