Mantramänner
sämtliche mir bekannten Gottheiten. Konnten die nicht mal schnell Frau Stöver vorbeischicken, um mich zu retten? Am Ende wurde mein Chef noch zudringlich, bevor er das Wort »Honeymoon-Suite« überhaupt ausgesprochen hatte.
Das TV-Debakel jedenfalls hatte mich keine Sympathiepunkte gekostet. Sogar im Gegenteil. Berger hatte ausführlich meine Loyalität gelobt. Weil ich in dieser schmierigen Fernsehfritzenveranstaltung, so drückte er sich aus, kein einziges Mal den guten Namen von Sunny Side missbraucht hatte. Dass ich gar nicht dazu gekommen war, ihn auszusprechen, das hatte ich ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden müssen.
Sein Kompliment hatte mich gefreut. Aber es war gleichzeitig auch an mir abgeprallt, so wie auch eine kritische Bemerkung an mir abgeprallt wäre. Etwas war um mich, eine neue Schutzschicht, eine Glückshaube. Und es war noch nichts passiert, das dieser Schicht geschadet hätte.
Wenigstens bis jetzt.
»Ja, Frau Frank, ich hab nämlich eine gute Nachricht für dich. Eine sehr, sehr gute Nachricht.«
Das, fand ich, war mal eine interessante Variante. Diese Kombination aus Nachnamen und Du war sonst doch eher bei Supermarktverkäuferinnen beliebt: Frau Friedrichsen, weißt du, was die Biobananen kosten?
Berger klopfte launig mit einer zusammengerollten Klarsichthülle auf meinen Schreibtisch.
»Wissen Sie, was hier drin ist? Das sind die Quartalszahlen.«
Das letzte Wort sang er beinahe. Quar-tals-za-ha-len. In einem kindlichen Sopran.
»Und wissen Sie, wie sich die Kundenzufriedenheit gesteigert hat? Speziell im Teilsegment Beschwerdemanagement?«
»Siebenundzwanzig Prozent?«, schlug ich vor, und er setzte mir grinsend die Plastikrolle auf die Brust, als wäre sie ein Degen.
»Touché!«, rief er gut gelaunt. »Sogar noch ein bisschen besser. Neunundzwanzig Komma acht.«
»Wie schön«, sagte ich. Ich freute mich ehrlich. Weniger für Sunny Side als für unsere unzufriedenen Kunden. Wenn ich die Herr Hinterhubers dieser Welt ein wenig mit ihrem Leben versöhnt hatte, dann hatte ich meine Sache doch nicht schlecht gemacht. Außerdem hatte Berger aus aktuellem Anlass wieder seine Anrede geändert, und das fand ich erleichternd. Wollte er wohl doch nicht mit mir auf die Malediven.
Aber was war dann mein Termin in der KW 35?
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
»Können Sie sich denn gar nicht vorstellen, was das bedeutet?« Er stupste mich noch einmal an. »Sie sind auf der Liste! Sie sind dabei in unserer Incentive-Gruppe! Handverlesen! Zusammen mit sechs anderen Kollegen, die in ihrer jeweiligen Abteilung Außerordentliches geleistet haben, fliegen Sie nach Ibiza. Sie wissen schon, dieses neue Angebot aus unserem ›Spirit & Mind‹-Programm. Und wissen Sie, warum mich das ganz besonders freut, dass gerade Sie da dabei sind?«
»Lassen Sie mich raten. Es gibt Yoga.«
»Evke Frank«, er lachte, »wie konnte ich Sie nur so unterschätzen, all die Jahre?«
Dann erhob er sich von meinem Schreibtisch und wurde wieder geschäftlich.
»Die näheren Infos bekommen Sie im Lauf des Tages per Mail«, sagte er. »Ich freu mich jedenfalls sehr. Das ist das erste Mal in meinem Berufsleben, dass jemand aus meiner eigenen Abteilung bei einer solchen Reise mitkommen darf.«
Zehn Minuten später war ich mit Anna in der Kantine zum Mittagessen verabredet. Während ich mir von Plisch gerade eine Tofuwurst aufschwatzen ließ – vor Kurzem hatte Sunny Side einen fleischfreien Donnerstag eingeführt –, kam Anna mit wehenden Haaren angerannt und scherte mit bezauberndem Lächeln hinter mir in die
Schlange ein, sodass mein Hintermann nicht einmal wagte, sich zu beschweren. Seit sie IPS’ Job übernommen hatte, war sie nie mehr pünktlich beim Mittagessen. Schien viel los zu sein an ihrem neuen Posten.
»’tschuldigung«, keuchte sie, »ich musste schnell noch zu Tchibo, die haben Aktionswochen unter dem Motto ›Rad und Tat‹.« Zum Beweis schwenkte sie eine große Plastiktüte vor meiner Nase.
»Ich dachte, du bist gar keine so begeisterte Radfahrerin?«
»Ich nicht. Aber neuerdings ist Nadine doch unter die Radler gegangen. Und ich dachte, die Gelegenheit ist günstig. Atmungsaktive Radlerhosen in Schwarz und Pink. Das ideale Geburtstagsgeschenk.«
»Geburtstag? Nadine ist Schütze!«
»Und?«
Ich sah sie zweifelnd an.
»Das ist im Dezember. Woher willst du wissen, dass Radfahren bis dahin immer noch ein Thema für sie ist?«
»Das hab ich im Gefühl. Und mein
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