Mantramänner
irgendetwas suchen. Zuerst den Vorgang Hinterhuber, den ich in meinem Montagstran aus Versehen in der Wiedervorlageschublade eingehängt hatte. Dann die Bärchentasse. Was mich betraf, war der Spaß noch nicht zu Ende. Schließlich das Gespräch mit IPS’ Assistentin, wegen Annas Jobchancen. Außerdem suchte ich halbherzig nach einem Geschenk zu Bergers Fünfzigstem (schwierig), dreiviertelherzig nach dem bunten Buddhamobil (erfolglos) und mit vollem Herzen nach einer Nachricht von Chris auf allen Kommunikationskanälen (negativ). Das alles war so viel, dass ich die Suche nach dem inneren Frieden etwas vernachlässigte.
Von all diesen Aufgaben erledigte ich nur eine wirklich gut. Ich stellte IPS’ Assistentin auf dem Weg zum Joggen und verhörte sie auf der Stelle. Nach zehn Minuten hatte ich genügend Futter für Annas Bewerbung beisammen.
Was alles andere anging, suchte ich weiter. Vor allem den richtigen Yogakurs.
Ins Hatha Yoga von nebenan hatte ich mich nach dem ersten Mal nicht mehr getraut. Zum Teil wegen des Debakels mit dem Handy. Vor allem aber, weil ich schon beim flüchtigen Gedanken an Nitya
sofort auch an Frau Rosenkötter denken musste. Ich konnte mir nicht einmal Nityas Gesicht vorstellen, ohne dass sich das Bild von Frau Rosenkötters blond gefärbter Zwergpudeldauerwelle und ihrer imposanten Nase davorschob. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass meine alte Erzieherin noch lebte, ich hätte Nitya glatt für ihre Reinkarnation gehalten. Jedenfalls waren die Gedanken meinem inneren Lotosblütengefühl nicht besonders zuträglich.
Und vielleicht war Hatha Yoga ja auch die falsche Yogaform für mich. Denn davon schien es ungefähr so viele zu geben wie polyphone Handyklingeltöne.
Als Nächstes probierte ich Luna Yoga aus. Weil es so hübsch klang. Dort war es wie in der Gruppentherapie. Zuerst gab es für jede Teilnehmerin ein Energiebällchen zu essen, das im Mund auf geheimnisvolle Weise größer wurde. Es war, als würde man in ein Weizenfeld beißen. Dann musste jede Teilnehmerin nacheinander eine Kommunikationskugel aus Marmorimitat in die Hand nehmen und erzählen, was ihr Leben im Hier und Jetzt so ausmachte. Ich war als Letzte dran und so verwirrt, dass ich die Kugel aus Versehen in meinen Rucksack steckte und das Missgeschick erst zu Hause bemerkte. Am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit legte ich sie auf der Türschwelle des Hauses ab und kam mir dabei vor, als würde ich einen wehrlosen kleinen Hund an einer Autobahnraststätte aussetzen. Da konnte ich mich auch nicht mehr blicken lassen.
Schließlich ließ ich mich von Anna überreden, eine weniger durchgeistigte Variante zu testen. Power Yoga. Es war zugleich die teuerste. Der »Yogaraum City« hatte eine riesige Glasfront in Richtung Osten, eine Bar mit duftenden Hochglanzmöbeln aus Tropenholz, und die Matten schimmerten so neu, als wären sie nur zur Einwegnutzung. Waren sie vielleicht auch. Gesungen wurde nicht, dafür tröpfelte sphärische Weltmusik aus einem riesigen Designerlautsprecher, und der Trainer zählte während der Körperstellungen: »Om eins, om zwei, om drei …« Wenn jemand vor dem fünfundzwanzigsten Om schlappmachte, erntete er mitleidige Blicke. Statt langsam in die Stellungen zu gehen, sprangen die Teilnehmer hinein wie die Action-Darsteller in einem Kung-Fu-Film. Wenn Mitleid
auch eine spirituelle Tugend war, dann bekam ich an diesem Abend so viel davon, dass es mindestens für drei neue Runden Leben hätte reichen sollen.
Nach der Stunde trafen sich alle an der Tropenholzbar, tranken Cocktails mit Namen wie Lotos Delight für mindestens zehn Euro pro Stück und tauschten Visitenkarten aus.
»Das ist doch eigentlich auch nicht der Zweck der Übung«, flüsterte ich Anna zu und nippte an einem grünen Getränk mit strenger Ingwernote.
»Und ob«, wisperte sie zurück, »Yoga ist das neue Golf! Ideal zum Networken!«
Ich wollte nicht networken, ich wollte ein besserer Mensch werden. Nadine war es schließlich, die mich mitnahm zum Kundalini Yoga in die Nirvana Lodge. »Du wirst sehen«, sagte sie, »das löst sämtliche energetischen Blockaden.«
Kundalini Yoga war gar nicht so anders als mein erster Versuch bei Nitya, nur dass es weniger von diesen verknoteten Körperhaltungen gab. Dafür mehr Bewegung. Dreißig Menschen saßen im Schneidersitz auf dem Boden, ließen ihren Rumpf im Uhrzeigersinn kreisen und machten beim Ausatmen aaah! Dazu sollten sie sich vorstellen, wie sich eine zusammengerollte
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