Mantramänner
fragte sie mit einem leichten Zögern in der Stimme, »hast du eigentlich in letzter Zeit mal was von Hansjörg gehört? «
Ich fragte mich, wann sie aufgehört hatte, ihn Papa zu nennen, wenn sie mit mir sprach. Tatsächlich fiel mir seine E-Mail von neulich erst jetzt wieder ein. Die hätte ich längst beantworten können. Aber ich hatte zurzeit wirklich anderes im Kopf.
»Wieso?«, fragte ich zurück.
»Ich hab nur so etwas gehört. Eine Freundin einer Kollegin soll
ihn gesehen haben, mit einer deutlich jüngeren Frau, die … ach, ist ja auch nicht so wichtig.«
Das Schweigen zwischen uns breitete sich aus wie ein sehr zäher Hefeteig. Sehr angenehm, dass im gleichen Moment mein Handy dudelte. Karma, Karma, Karma Camaeleon … Melli mobil. Wozu hatte man Freunde?
»Wart mal eben, Mama«, sagte ich, legte mein Festnetztelefon hastig ab und drückte beim Handy auf Empfang.
»Evke!«, Melli klang so aufgeregt, dass sie beinahe schrie. »Stell dir vor, was passiert ist! Er hat mich gefragt!«
Ich brauchte einen Moment, um die Strecke von meiner Vergangenheit in Mellis Zukunft zurückzulegen. War ja schließlich ein abenteuerlicher Gedankensprung. Gefragt? Wer? Was? Dann verstand ich.
Ungläubig starrte ich das Handy an.
Es gibt diese Augenblicke, in denen man nicht weiß, was eine gute Freundin zu tun hat. Dies war einer der härtesten. Sie wollte wirklich heiraten.
Und nicht irgendjemand. Sondern Spaßbremse Steve.
Ein Leben voller Hackfleischpizza und Laufbänder mit Hügelprogramm.
Andererseits: Sie liebte ihn. Hatte sie zumindest schon mal gesagt. Oder war ich etwa schon wieder neidisch? Wollte ich einen Mann mit Motto-Boxershorts? Mit Wochentagen, rammelnden Elchen, Glücksschweinen drauf? Einen Mann, der jedes Fremdwort googeln musste?
Noch schlimmer: Wollte ich das vielleicht unbewusst? Weil mir ein solcher Mann wenigstens nicht weggelaufen wäre, um einen harten Cut zu machen?
Ich kannte jemanden, der mir das mit Sicherheit unterstellt hätte. »Herzlichen Glückwunsch«, stammelte ich in mein Handy, »und wann soll das sein?«
»Übernächstes Wochenende! Und das Beste ist: Die haben insgesamt noch vier Plätze frei! Wir können also alle zusammen mitmachen! «
Definitiv hatte das mit den Energie-Übungen bei mir nicht funktioniert. Sonst hätten meine Kopf-Chakras sicher etwas schneller geschaltet. Meine Schlange ringelte sich immer noch bräsig am unteren Ende der Wirbelsäule und döste vor sich hin.
Vor meinem geistigen Auge poppte ein Bild auf, wie Spaßbremse Steve würdevoll in einem mit Wochentagen bedruckten Hochzeitsanzug den Gang einer Kathedrale entlangschritt, an jedem Arm zwei Bräute. Melli in Kaffeewärmerrüsche, Anna im cremefarbenen Hosenanzug, Nadine in Mini mit Rückenausschnitt bis zum Sitz der Kundalini-Schlange, ich im weißen Gymnastik-Outfit.
»Mitmachen? Bei was?«, fragte ich lahm.
»Na, beim nächsten Retreat! Im Ashram von Werderhorst! Siv hat gesagt, das ist der perfekte Platz, um sich ernsthaft mit den verschiedenen Wegen des Yoga auseinanderzusetzen. Und ausgerechnet mich hat er gefragt!«
Ich holte tief Luft und atmete sehr langsam durch die Nase wieder aus.
»Komisch«, sagte ich dann, »ich dachte jetzt gerade, du erzählst mir was anderes.«
»Was denn?«
»Ach, nichts«, antwortete ich und versuchte, dabei nicht allzu erleichtert zu klingen. »Und was sagt Steve dazu, wenn du mit Siv Petersen die Erleuchtung suchst?«
Einen Moment herrschte Stille.
»Och«, sagte sie schließlich, »der muss auch nicht alles wissen. Es ist gar nicht so schlecht für langjährige Paare, wenn sie noch ein paar Geheimnisse voreinander haben. Hab ich neulich in einer Frauenzeitschrift gelesen.«
So, so. Geheimnisse. Hatte mich mein Eindruck auf Mellis Geburtstagsparty also nicht getrogen. Natürlich würde ich mitfahren. Allein schon, um mir diesen Siv mal anzuschauen. Verschiedene Wege, das fand ich gut. Schließlich hatte ich die optimale Yogamethode für mich noch nicht gefunden.
»Gut, ich bin dabei«, sagte ich. »Kann man denn da abends auch bisschen was unternehmen?«
»Unternehmen?« Melli klang, als hätte ich in einem Naturkostladen nach Pommes rot-weiß gefragt. »Das ist ein Retreat. Da sollen wir uns nicht zusätzlich mit Reizen belasten.«
»Auch gut«, sagte ich, »dann packen wir uns eben ein paar schöne Flaschen Rotwein ein und machen ein nettes Gelage unter Mädels.«
»Auf keinen Fall«, rief Melli, »Alkohol ist tamas!«
»Tamas? Du
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