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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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ganzer Fantasiezoo unterwegs. Füße steckten in riesigen Plüscheierwärmern mit Gesicht, in Noppensocken mit Herzchen auf der Fußsohle, und auch die Hasenohren sah ich weiter vorn am Büfett wippen.
    Melli und Nadine trugen die gleichen weißen Yogahosen mit Goldstickerei auf der Potasche. Nadine hatte ihre so weit auf die Hüfte hinuntergezogen, dass ihr Nabel unter dem Shirt hervorblitzte, Melli hatte ihre brav in der Taille verschnürt. Anna trug Grau und kam natürlich ganz in Tchibo.
    Unauffällig sah ich mich um. Keine Spur von Mr Buddha. Überhaupt
war die Männerquote ähnlich gering wie beim VHS-Kurs »Geschirrhandtücher besticken leicht gemacht«. Doch das musste ich zugeben: Die wenigen Exemplare, die es gab, waren nicht von schlechten Eltern. Sehnige Körper, gute Haltung, wache Augen. Vielleicht sahen sie nicht gerade aus wie der junge Richard Gere bei seinem ersten Besuch beim Dalai Lama. Aber immerhin so, dass man gern eine Portion Blumenkohl mit dem einen oder anderen geteilt hätte.
    Die Schlange rückte weiter, eine Frau vor mir griff nach Besteck und einem Teller.
    »Er ist jung«, sagte sie gerade zu ihrer Begleiterin, »aber man merkt, er hat eine ganz alte Seele.«
    »Ja«, nickte die andere, »ganz anders als der Ashram-Lehrer aus Bad Niederwurzen, da war es genau umgekehrt. Eine junge Seele in einem alten Körper.«
    Planlos häufte ich mir Essen aus verschiedenen Schüsseln auf den Teller und war gespannt, wonach es schmecken würde. Das meiste konnte ich nicht richtig zuordnen. Es gab eine Art würzig riechenden Getreideeintopf, eine Schüssel mit einer Paste, von der ich annahm, dass es sich um einen Gemüsedip handelte, und verschiedenes Grünzeug, neben dem eine Flasche Biosauerkrautsaft stand. Außerdem eine vertraut aussehende Packung mit einem stilisierten Bergmassiv. Das gute alte Himalajasalz.
    »Das kenn ich«, sagte ich zu Melli, »hat mir meine Mutter letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt.«
    »Soll sehr gut sein«, behauptete Melli, »ich habe neulich erst gelesen, in normalem Salz sind ganz schlimme Chemikalien. Natrium, glaube ich.«
    Nadine hatte unser Gespräch mit angehört und nickte wissend.
    »Schlimmer«, sagte sie, »es ist sogar Chlor mit dabei.«
    »Siehst du«, Melli nickte beflissen, »das sagt sogar unsere Chemieexpertin. Und Nadine kennt sich schließlich aus mit so etwas.«
    Nadine begann zu grinsen, und ich versuchte mich an das vergilbte Poster mit dem Periodensystem der Elemente zu erinnern, das in unserem Chemiesaal gehangen hatte. Natrium und Chlor?

    »Sag mal, ist das nicht die ganz normale Zusammensetzung von Kochsalz?«, fragte ich Nadine.
    »Der Kandidat gewinnt die bronzene Buddhastatue und die Designerheckenschere«, prustete sie.
    »Also, mir ist das trotzdem nicht geheuer mit dem Natrium«, beharrte Melli.
    Ich rückte ein Stück weiter und hob den Deckel einer Alu-Warmhalteschale. Würstchen. Sehr seltsam. Vielleicht nahmen sie es am Wochenende nicht so eng mit dem Fleischverbot.
    Suchend sahen wir uns um. Überall waren die langen Tische schon belegt, nur noch einzelne Plätze waren frei.
    »Da drüben«, sagte Nadine und deutete auf eine Ecke, »da sitzt noch gar niemand.«
    Melli musterte den weißen Zettel, der an der Tischdecke hing.
    »Weiß nicht«, sagte sie, »da steht, das ist der Schweigetisch.«
    »Ja«, Anna nickte, »und außerdem ist er kostenpflichtig.«
    »Wie bitte?« Ich sah Anna an, dann das Schild. Sie hatte recht. Hinter dem Wort ›Schweigetisch‹ war noch etwas hingekritzelt, es sah aus wie eine Drei mit dem Eurozeichen dahinter. Die waren ja drauf, die Yogis. Nichts sagen und dafür noch Geld haben wollen.
    »Ihr Anfänger!«, rief Melli triumphierend, »das ist doch das Om-Zeichen! «
    »Braucht ihr noch einen Platz?« Jemand legte mir eine Hand an den Arm. Eine Frau mit lila Strähnchen im Haar zeigte einladend auf ihren Tisch.
    »Wir können hier gern zusammenrücken.«
    Wir quetschten uns zu der Lilasträhnigen und ihrem Begleiter, einem jungen Kerl mit südländischem Modelteint. Mit am Tisch saß noch eine Frau mit einer kleinen Tochter, die missmutig in ihrem Essen stocherte.
    »Ich will aber Kinderketchup«, maulte sie, »den mit der lachenden Tomate, wo immer die Piratenaufkleber drauf sind.«
    »Zu Hause wieder, Anna-Lena«, sagte die Mutter, »jetzt ist Mamas Yogawochenende, da machst du Mama sehr glücklich, wenn du dich mal auf etwas anderes einlässt als das, was du kennst.«

    »Ich will aber nichts

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