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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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einlassen«, quengelte das Kind, »ich will Ketchup.«
    Ich mochte zwar keinen Ketchup, aber das Kind konnte ich gut verstehen.
    Vorsichtig kostete ich von meinem Würstchen. Das war ein Fehler. Das Innere fühlte sich im Mund an wie halb gebackener Kuchenteig, das äußere wie Dachpappe, die lange im Landregen durchgeweicht war.
    Der junge Typ neben mir sah meinen angewiderten Gesichtsausdruck und musste lachen. »Tofu«, sagte er, »gut, oder?«
    »Wer’s mag«, murmelte ich.
    »Du musst zugeben, das hat mehr essenzielle Aminosäuren als jedes Stück Fleisch.«
    »Geb ich gern zu. Schmeckt trotzdem nicht.«
    »Dann probier mal den Getreideeintopf, der ist super.«
    Folgsam kostete ich und nickte. »Ganz lecker. Könnte aber noch was Scharfes vertragen, wenigstens einen Hauch Knoblauch.«
    »Knoblauch und Zwiebeln werden hier nicht verwendet«, erklärte der Junge, »die sind rajaz.«
    »Was ist das denn nun wieder? Ich dachte, verbotene Lebensmittel sind tamas.«
    »Rajaz ist alles, was nervös macht. Leidenschaften anregt. Deshalb auch kein Kaffee oder schwarzer Tee.«
    Folgsam nahm ich noch einen Bissen von meinem Tofuwürstchen. Jetzt, wo der Überraschungseffekt weg war, schien es mir noch ungenießbarer. Vielleicht mit dem Gemüsedip? Ich tunkte großzügig ein und zwinkerte dem kleinen Mädchen zu. Vielleicht war es ja eine Alternative zu Ketchup. Und ich konnte ein Kind sehr glücklich machen.
    »Halt!«, die Frau mit den lila Strähnen fiel mir in den Arm, bevor ich meine Gabel zum Mund führen konnte.
    »Es geht mich ja nichts an«, sie lachte, »aber du hast gerade dein Würstchen in den Nachtisch gestippt.«
    Auf einmal begann Melli auf dem Platz mir gegenüber zu strahlen. Ihre Mundwinkel zogen sich so weit auseinander, dass ich mich nicht
gewundert hätte, wenn sie am Hinterkopf wieder zusammengestoßen wären, ihre Augen blitzten. Mit einer Geste, die wohl lässig wirken sollte, warf sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Strähne blieb in einem seltsamen Dreieck auf ihrem Kopf kleben. »Hallo«, hauchte sie und blickte dabei schräg hinter mich.
    »Na, habt ihr’s lustig?«, hörte ich eine Männerstimme sagen.
    Ich drehte mich um, und mein Herz machte einen freudigen Minihüpfer.
    Da stand Mr Buddha.
    Jetzt, gut ausgeleuchtet von der Energiesparlampe im Speisesaal, gefiel er mir sogar noch besser als bei unserer flüchtigen Augenbegegnung durch die Fensterscheibe des »Delhi Deli«. Er hatte nicht nur schöne breite Schultern und einen blank polierten Charakterschädel, auch der Rest war ziemlich lecker. Groß, sehnig, dunkel. Die Haut von dieser seidigen Beschaffenheit, dass sogar Schweißperlen auf ihr wie ein schickes Accessoire ausgesehen hätten. Schwarzes, ärmelloses Rippshirt, schmale schwarze Trainingshose. An den Füßen trug er gar nichts. Wahrscheinlich war er so fortgeschritten, dass er bei Bedarf einfach drei Zentimeter über dem Boden schweben konnte. Hausschuhe mit Hasenohren brauchte der jedenfalls nicht. Sogar seine Füße waren schön, die Zehen lang und gerade, der Fußrücken anmutig geschwungen.
    Der ganze Mann war so rajaz, dass er eigentlich gar nicht hätte hier sein dürfen.
    Pflichtschuldig versuchte ich, mich an Chris’ Füße zu erinnern. Schließlich hatte ich noch immer offiziell Liebeskummer. Doch es fiel mir nichts dazu ein.
    Na gut, das war auch schon ein paar Wochen her. Bevor ich mit Yoga begonnen hatte. In der dunklen Zeit der Unachtsamkeit. Dass mir diese Füße jetzt so gefielen, war ein gutes Zeichen. Ich wurde … wie sollte ich das sagen? Ganzheitlicher. Nein, falsch. Wie hatte Nitya Rosenkötter es in meiner ersten Yogastunde genannt? Sie hatte doch so ein tolles Wort gebraucht! Genau: feinstofflich. Ich wurde feinstofflicher.
    Vielleicht war es auch einfach nur der Kontrast. Vielleicht hatte
mich die Begegnung mit den verhornten Kundalini-Lehrer-Füßen für einen bisher vernachlässigten männlichen Körperteil sensibilisiert.
    »Hallo«, echote ich und kam mir etwas einfallslos vor. Mr Buddha sah mich an und hob die Augenbrauen.
    »Hey«, sagte er, »ich bin mir nicht ganz sicher … kennen wir uns?«
    »Liebe Evke«, hörte ich Melli sagen. Ihre Stimme triefte beinahe vor Feierlichkeit. »Ich möchte dir jemanden vorstellen. Das ist mein Yogalehrer Siv.«
    Ich drehte mich wieder zu ihr um, zu verblüfft, um zu antworten. Jetzt hatte sie auch auf der anderen Kopfseite eine dreieckige Strähne. Nadine fand als Erste die Sprache

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