Mantramänner
da.«
Sie parkte neben einem Backsteinhaus, dem man ansah, dass es mal eine Pension in D-Lage gewesen war. Mindestens zwei Kilometer bis zum Meer, dafür Aussicht quer über ein kahles Feld auf einige Wohnblocks, wo ich das soziale Problemviertel der nächsten Kleinstadt vermutete. Ich krabbelte hinter dem vorgeklappten Beifahrersitz hervor und wollte gerade eine versöhnliche Bemerkung über die gute Landluft machen, da sah ich etwas, das meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog.
Das war wohl doch keine so blöde Idee gewesen mit dem Wochenende im Yogakloster.
Direkt auf dem Parkplatz gegenüber stand das Buddhamobil, das ich neulich vor dem »Delhi Deli« gesehen hatte.
Wo das Buddhamobil war, konnte sein Fahrer ja auch nicht weit sein.
Und die Restwahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Neonazi handelte, schrumpfte in Rekordzeit gegen null.
»Melli, das ist ja herrlich hier!« Meine Stimme klang noch enthusiastischer, als ich es vorgehabt hatte. »Eine richtige kleine Oase!«
Nicht einmal der Anblick eines einsamen Mannes in Gummistiefeln, der eine Schubkarre voll geschnittener Zweige durch den Matsch schob, dämpfte meine Begeisterung. Obwohl es sich mit Sicherheit um einen Akt des Karma Yogas handelte.
Melli und ich schulterten unsere Sporttaschen, Nadine und Anna zogen zwei Rollköfferchen hinter sich her. Wie wir so zur Rezeption zockelten, sahen wir aus wie zwei Stewardessen und zwei Au-Pair-Mädchen.
Beim Eintritt schlug uns eine Duftwolke aus Blumenkohl und Schweißfuß entgegen, was auch nicht weiter verwunderlich war.
Denn direkt neben dem Empfangstresen stand ein großes Schuhregal, das etwa zur Hälfte mit Turnschuhen und zur Hälfte mit ausgelatschten Schlappen gefüllt war. Zwei Frauen mit versunkenem Gesichtsausdruck kamen an uns vorbei, die eine mit grünen Crocs, die andere mit Hausschuhen, von denen zwei Hasenohren aus Kunstfell abstanden.
»Hausschuhe! Ich wusste, dass ich was Wichtiges vergessen habe«, stöhnte Nadine, schlüpfte aus ihren Goldlederstiefeletten und stellte sie an einen freien Regalplatz. Sie sahen dort sehr verloren aus, so als hätte sich eine Düsseldorfer Kosmetikerin in einer brandenburgischen Freikörperkolonie verirrt.
Auch von innen sah man dem Haus seine Vergangenheit an. Nur dass auf den Fensterbrettern keine Möwenaufstellerchen mehr standen, sondern Kristalle. Und dass die Poster des Fremdenverkehrsvereins Bildern von elefantenköpfigen und flötenspielenden Hindu-Göttern gewichen waren.
Eine Frau mit grauem Pferdeschwanz sah von ihrem Computer hinter dem Empfangstresen auf.
»Seid ihr vom spirituellen Weg oder vom Mantratanzen?«, fragte sie barsch.
»Wir gehören zu Siv«, sagte Melli.
Es klang wie: Mein Mann hat die Präsidentensuite reserviert.
Die Frau nickte und fingerte an einem Schlüsselbrett herum.
»Zimmer fünf und sieben, im zweiten Stock. Ihr solltet euch ein bisschen sputen, denn in zehn Minuten treffen sich alle zum Essen. Danach ist Satsang im Shiva-Raum zur Meditation für den Weltfrieden. « Sie sah mich an. »Hast du noch eine Frage?«
Ich schüttelte heftig den Kopf und blickte zu Boden. Nicht, dass sie doch noch auf die Idee kam, eine Taschenkontrolle bei mir zu machen. Mein Duschgel wäre möglicherweise noch so durchgegangen. Aber die Flasche Chianti hätte mit Sicherheit keine Gnade gefunden.
Auf dem Weg nach oben fühlte ich mich, als hätte ich erfolgreich einen Gugelhupf mit eingebackener Feile in einen Hochsicherheitstrakt geschmuggelt.
Und ich war sehr gespannt auf ein Wiedersehen mit Mr Buddha.
ARDHA MATSENDRASANA
Der Drehsitz (Ardha Matsendrasana) wirkt stressabbauend, nervenstärkend, beruhigend und harmonisierend. Er trainiert das innere Gleichgewicht und die innere Würde, sodass man auch in stürmischen Zeiten gelassen in sich selbst ruhen kann.
Die Zimmer mit ihren billig furnierten Möbeln erinnerten mich an Jugendzimmerensembles aus den Achtzigerjahren, aber das behielt ich für mich und auch alle anderen gehässigen Gedanken. Vor allem, weil ich das Bett mit Melli teilte. Sie strahlte mit dem langhaarigen Inder um die Wette, dessen Foto auf einer Art Hausaltar neben dem Bett stand. So glücklich hatte ich sie lange nicht gesehen. Ich wusste zwar nicht so genau warum, aber da wollte ich nicht stören.
Als wir unsere Sachen ausgepackt und wieder nach unten gegangen waren, drängelte sich die Schlange der Hungrigen schon aus dem Speisesaal hinaus bis in den Eingangsbereich. Mittlerweile war am Boden ein
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