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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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hatte ich verinnerlicht. Nach ein paar Wochen würden die zwei Damen vom Grill schon von selbst merken, dass sie Fleisch nicht mehr brauchten. Dass es sie herunterzog, träge und dumpf machte.
    »Also, ich esse das ja so gut wie gar nicht«, bemerkte Plisch, »höchstens mal ein paar Chicken Wings oder Spareribs im Biergarten.«
    »Ich persönlich muss Fleisch auch nicht haben«, Plum nickte ihrer Kollegin zu und winkte großzügig ab. »Höchstens vielleicht mal eine Frikadelle zum Abendbrot.«
    »Das ist was anderes«, sagte Plisch. »Das ist ja auch Hackfleisch.«
    Ich schaltete den tragbaren CD-Player mit einer »Buddha Bar«-CD ein, die mir Nadine gestern noch gebrannt hatte. Plisch und Plum verstummten. Dann ließ ich meinen Blick über die umgeräumte Kantine schweifen und versuchte, großen inneren Frieden zu empfinden. Stattdessen war ich nervös. Das Design ließ auch zu wünschen übrig. Und der Geruch sowieso.
    Dabei hatte ich es mir so einfach vorgestellt. Es war nicht so schwierig, einen Seitenflügel der Kantine frei zu räumen, und viel Equipment hatte ich auch nicht gebraucht. Was die Yogamatten anging, hatte ein Anruf bei einem Hotelkonzern gereicht, an dem Sunny Side zu dreiundfünfzig Prozent beteiligt war und der sich auf Wellnesshotels im Mittelgebirge spezialisiert hatte. Ehrensache, dass sie uns dreißig Stück per Express lieferten, mit goldgeprägtem Firmennamen.
    Besonders gute Qualität war der Schaumstoff nicht. Das konnte man von einer Hotelkette mit dem Werbespruch »Wellness fürs Portemonnaie« wohl kaum erwarten.

    Dazu hatte Berger zweihundert Euro aus dem Marketing-Budget für spezielle Aufgaben lockergemacht, und die hatte ich sehr effektiv eingesetzt. Die größte Investition war ein Milchglasbuddha in Größe eines gut genährten Säuglings und mit einer Lampe im Inneren, deren Licht im Zwei-Minuten-Takt die Farbe wechselte. Bisher hatte er nicht mit mir gesprochen, und ich hoffte, er würde auch künftig seinen Schnabel halten. Es sei denn, er hatte im richtigen Moment ein paar sachdienliche Hinweise für Yogalehrerinnen, die nicht weiterwussten.
    Außerdem hatte ich einige Meditationskissen mit aufgestickten Lotosblumen gekauft und ein Schälchen, in dem man Duftessenz verbrennen konnte. Natürlich war es Anna, die mich auf die Meditationswochen bei Tchibo hingewiesen hatte. Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können.
    Aber selbst eine Extradröhnung Sandelholzessenz hätte nichts gegen den Bratfettgeruch ausgerichtet, der über dem Raum hing. Mittags zur Essenszeit war mir das nie aufgefallen, aber jetzt, um achtzehn Uhr, schien der Geruch aus allen Ritzen zu quellen. Er saß in jeder Pore des Linoleumbodens, verschanzte sich in den Kunstfaserbezügen der Stühle. Dazu kam noch das Problem mit den Schaulustigen. Ich hatte ja nicht gewusst, wie viele Menschen noch nach achtzehn Uhr ihre Büros verließen. Natürlich mussten sie alle auf dem Weg zum Ausgang an der Kantine vorbei, die ab Hüfthöhe nur mit einer durchsichtigen Glasscheibe vom Gang abgetrennt war. Dort drückten sie sich die Nasen platt und beäugten uns, als wären wir eine Reihe neugeborener Eisbärenbabys im Zoo.
    Dabei hatten wir noch nicht einmal angefangen.
    Entschlossen stellte ich mich in eine aufrechte Position. Dann legte ich die Hände in einer Art Gebetshaltung zusammen, so wie ich es nun schon bei so vielen Yogalehrern gesehen hatte, und verneigte mich leicht vor meinen Schülern. Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass ich vielleicht auch den Rest des Universums grüßen sollte und drehte mich leicht im Kreis.
    Das Universum stand draußen vor der Kantine und grüßte zurück. Dabei amüsierte es sich sichtbar.

    Mein Leuchtbuddha glühte rot.
    Ich setzte mich wieder hin. So konnten die Kollegen draußen zwar immer noch mich sehen, aber ich sie nicht mehr so gut.
    Eigentlich hatte ich die Stunde wie immer mit Mantrasingen beginnen wollen. Doch als ich in die Gesichter meiner Schülerinnen blickte, verließ mich der Mut. Zwar wusste ich selbst, dass dieser Gedanke erschütternd weltlich und oberflächlich war – aber die Vorstellung, dass ich ganz allein in der Kantine einen singenden Gruß an den Elefantengott entbieten würde, während die Herren vom Controlling ihre Nasen an der Scheibe platt drückten, war mir dann doch zu unangenehm. Wir würden stumm anfangen.
    Es wurde sowieso zu viel gequatscht auf dieser Welt, vor allem in der Reisebranche.
    Trotzdem sahen mich meine sechs

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