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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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Als ich mit siebeneinhalb Minuten Verspätung dort ankam, waren alle Barhocker besetzt, und alle von Männern. Sie sahen alle gleich aus. Die Hocker und die Männer auch. Alle hatten die Ärmel ihrer Hemden hochgekrempelt und schwere Handgelenke auf die Theke gestützt. Auch von der Seite ähnelten sie einander. Sie blickten stumm in ihre Gläser, als gäbe es dort mindestens die Namen der nächsten drei UEFA-Cup-Gewinner zu lesen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sich ein Hinweisschild über der Theke befunden hätte, mit einer durchgestrichenen Frauenfigur: Wir müssen leider draußen bleiben.
    Endlich entdeckte ich Steve. Er saß ganz hinten und trug ein T-Shirt mit der Aufschrift »Fahrathon 1988«. Wahrscheinlich hatte er es von seinem Vater geerbt. Ich konnte es mir förmlich vorstellen, wie Steve senior damals sein verschwitztes Trikot ausgezogen und mit großer Geste seinem Sohn zugeworfen hatte. Das, mein Sohn, wird eines Tages alles dir gehören.
    Während ich auf Steve zuging, kroch ein Gefühl der Leere in mir hoch. Das konnte aber auch an dem Glas liegen, dessen Inhalt traurige Blasen warf, während das Bier unter dem Schaum auf ein winziges, gelbes Pfützchen zusammengeschrumpft war.
    Ich legte Steve eine Hand auf die Schulter. Er hob ruckartig
den Kopf, wobei seine Baseballkappe auf dem Fliesenboden landete.
    »O Mann«, sagte er, »jetzt hast du mich aber erschreckt.«
    »Wieso das? Wir sind doch verabredet!«
    Er zuckte traurig mit den Schultern. »Ich war eben ganz woanders mit meinen Gedanken. Willst du auch ’n Bier? Die haben auch alkoholfreies. «
    Ich fragte mich, was er für Neuigkeiten hatte. Und ob ich danach vielleicht wirklich einen Drink brauchte. Was machten Yogis eigentlich, wenn ihnen nach etwas Härterem zumute war? Ihren Grüntee zehn Minuten länger ziehen lassen?
    »Mineralwasser«, versuchte ich, und der Thekenmann mit der Kunstlederweste schüttelte den Kopf. Wangen und Mundwinkel schüttelten sich mit. Er erinnerte mich an jemanden, ich kam nur nicht darauf, an wen.
    »Wasser is nich«, sagte er, »nur Fanta.«
    Wahrscheinlich schenkte er aus Prinzip nur gelbe Getränke aus.
    Ich hätte gern gewusst, wer Barbie war. Und vor allem, wo. Aber etwas sagte mir, dass ich gleich genügend traurige Geschichten hören würde. Da brauchte ich nicht noch eine vorweg.
    Ich nickte dem Zapfhansel ermutigend zu und wandte mich wieder an Steve.
    »Erzähl«, sagte ich, »was ist los mit Melli?«
    Steve holte tief Luft, als wollte er zu einer langen Rede ansetzen. Dann atmete er wortlos wieder aus und ließ den Kopf hängen.
    »Ich hab ja alles okay gefunden«, begann er schließlich leise, »also, echt alles. Das mit dem Yoga, das mit den komischen Linsencurrys, dieser olle Adventstee mit dem Zimtgeschmack mitten im Sommer. Aber jetzt, jetzt hat sie echt ein Rad ab. Weißt du, was sie mit meinem Plasmafernseher gemacht hat?«
    »Ja«, sagte ich ruhig, »sie hat ihn weggestellt. Und einen Altar dort errichtet, mit ihrer neuen Buddhafigur.«
    Steve schüttete wütend den kläglichen Rest seines Biers in seinen Mund und stellte das Glas dann hart auf dem Bierdeckel ab. Das Arme. Konnte doch auch nichts dafür. Schaum glitzerte auf Steves Oberlippe.

    »Das wusstest du?«
    Ich zuckte die Schultern, während der Barmann mir ein kleines Pilsglas mit Fanta hinschob und entschuldigend etwas murmelte von »anderehamwanich«. Jetzt wusste ich auch, an wen er mich erinnerte. An den Mops von der chemischen Reinigung.
    »Es ist eben wichtig, dass er nach Norden zeigt«, erklärte ich.
    »Ja eben!«, ereiferte sich Steve. »Sonst spiegelt es doch total, beim Fernsehgucken. Wenn da die Sonne drauf scheint.«
    »Ich meinte nicht den Fernseher. Sondern den Altar. Das ist so eine energetische Sache.«
    Steve tunkte seinen Mund noch einmal in das leere Bierglas. Jetzt hatte er auch einen Schaumzipfel am Kinn. Es sah aus wie ein Techno-Ziegenbärtchen anno 1992. Nur viel trauriger.
    »Ich kann einfach nicht verstehen, was los ist mit euch Mädels«, sagte er resigniert und malte mit dem linken Zeigefinger Schlangenlinien in eine feuchte Kondenswasserspur auf der Theke. »Was habt ihr bloß mit meiner Freundin gemacht?«
    »Wir?« Ich blickte ihn erstaunt an.
    »Na, wer hat ihr denn den blöden Buddha geschenkt?« Jetzt funkelte mich Steve wieder angriffslustig an. Er konnte sich augenscheinlich nicht entscheiden, ob er meinen Rat haben oder mich zur Schnecke machen wollte.
    »Ich war das nicht«, antwortete

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