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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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Schülerinnen so an, als müsste ich jetzt allmählich dringend etwas sagen. Augen zu und durch.
    »Wir beginnen wie immer mit den Atemübungen«, begann ich leichthin, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes gemacht. »Wir legen die rechte Hand ins Vishnu-Mudra, halten das rechte Nasenloch mit dem Daumen zu und atmen durch das linke …«
    »Geht nicht.« Ich sah auf. Lisa-Marie schüttelte hektisch den Kopf.
    »Wie, geht nicht?«, fragte ich zurück.
    »Heunupfen«, näselte sie.
    »Gut«, sagte ich. »Dann setzt du dich einfach entspannt in einen kreuzbeinigen Sitz, die Finger ins Cin-Mudra …«
    »Sie, Frau Frank?«, das war Frau St över. »Müssen wir eigentlich die ganze Stunde über auf dem Boden bleiben? Ich meine, wenn Yoga so eine sitzende Angelegenheit ist, warum nehmen wir uns nicht ein paar Stühle und machen es uns bequemer?«
    »Das ist, ähm, energetisch aber nicht so günstig«, stotterte ich. »Ich habe doch außerdem hier diese Meditationskissen, die Sie unter Ihre Sitzhöcker …«
    »Nun seien Sie mal nicht päpstlicher als der Papst«, sagte Frau Stöver energisch, wuchtete sich vom Boden hoch und begann, Stühle von den Tischen zu heben, wobei Plum ihr hilfreich zur Hand ging.

    Der Leuchtbuddha glomm jetzt grünlich.
    Lisa-Marie sah erstaunt auf. »Echt, der Papst macht auch Yoga?«, fragte sie. »Krass!«
    »Also, das mit dieser speziellen Atmung ist in der Schwangerschaft auch nicht so ratsam«, sagte IPS, »ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich in dieser Zeit stattdessen ein paar meiner eigenen Übungen mache. Aus dem Yoga für werdende Mütter.«
    Sie ging in den Vierfüßlerstand und machte abwechselnd einen Buckel und ein Hohlkreuz.
    »Diese Asana kenne ich gar nicht«, erkundigte sich Anna interessiert, »wie heißt die?«
    »Meine Yogalehrerin sagt immer Alte Kuh, junge Kuh dazu«, erklärte IPS und buckelte wieder. »Bis zur zweiundzwanzigsten Schwangerschaftswoche macht man die Bewegung kräftiger, wie eine junge Kuh, danach vorsichtig wie eine alte.«
    Anna ging ebenfalls in den Vierfüßlerstand und machte mit. Ich fragte mich, ob sie mir etwas zu beichten hatte. Oder ob das wieder Teil ihrer Jobstrategie war.
    Währenddessen hatten Plum und Frau Stöver es sich auf Kantinenstühlen gemütlich gemacht und atmeten geräuschvoll durch das linke Nasenloch ein und aus, und Lisa-Marie saß auf dem Boden und kicherte. Wahrscheinlich stellte sie sich den Papst in kleidsamer Yoga-Baumwollhose mit tief sitzendem Schritt vor. Buddha leuchtete gelb und schwieg eisern.
    Es war nicht ermutigend.
    »Kann’s jetzt mal losgehen?«, fragte Plisch und blickte auf die große Kantinenuhr über der Theke. »Wir müssen heute noch die Gemüselasagne vorbereiten, meine Kollegin und ich.«
    Gemüselasagne. Das war doch auch wieder so ein heimtückisches Fleischversteck, das sie sich mit Plum ausgedacht hatte.
    »Völlig einverstanden«, erwiderte ich, »also, wenn das mit den Atemübungen nicht so euer Ding ist, ich kann das nachfühlen. Ich hab auch eine Weile gebraucht, bis ich mich so richtig auf Yoga habe einlassen können. Aber wenn es erst wirklich Teil des Lebens geworden ist, dann …«

    Ich hätte noch weitergeredet, aber dann traf mich Annas Blick. Annas wortloser, handarbeitslehrerinnenstrenger Noch-ein-Wort-und-ich-oute-dich-als-Anfängerin-Blick.
    Buddha blinkte bläulich.
    »Also, was ich sagen wollte – dann machen wir eben jetzt den Sonnengruß. IPS, äh, ups, ich meine, Ilona – du spürst einfach hinein in deinen Körper und tust, was dir gerade guttut.«
    Ich machte eine Geste, und folgsam standen alle auf. Frau Stöver und Plum stellten sogar die Kantinenstühle zur Seite. IPS blieb auf dem Boden, umfasste mit den Händen ihre Kniekehlen und rollte sich auf dem Po hin und her wie ein kleiner, dicker Kreisel, der nicht richtig in Schwung gebracht worden ist.
    Es gab einen einzigen Lichtblick. Die Herren vom Controlling waren von der Glasscheibe verschwunden. Wenigstens hatten sie endlich mal was zu erzählen beim Abendbrot. Statt vom Soll-Ist-Abgleich fürs erste Quartal würden die Gattinnen heute erfahren, wie es aussah, wenn Customer Relations Assistant Evke Frank das Universum mit einem Gruß voller Lichtenergie überschüttete.
    Und es gab noch einen zweiten Lichtblick. Das mit dem aufrechten Stand klappte schon mal prima.
    Auch die Rückbeuge bekamen alle hin. Schwierig wurde es, als es darum ging, bei gestreckten Beinen die Handflächen auf den Boden zu bringen.

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