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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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›Liebenden‹.«
    »Melli?« Jetzt. Sag es. Raus damit.
    »Was ist eigentlich mit dir los, Evke? Warum fängst du jeden Satz mit meinem Namen an, als hättest du mir was Feierliches zu verkünden? «
    »Nun, feierlich ist es vielleicht nicht gerade …«
    Musste sie denn jetzt unbedingt dazwischenquatschen? Beinahe hatte ich es schon geschafft. Anlauf genommen, losgerannt, dann hatte sie mir ein Bein gestellt. Jetzt saß ich unelegant gestrauchelt auf dem Fünfmeterbrett und traute mich nicht mehr herunter.
    Im gleichen Augenblick ging die Tür auf. Im Türrahmen standen die Frau mit der lila Leggings und der picklige Bielefelder von nebenan. Er hatte eine Hand in ihren Hosenbund geschoben, ihre Wangen waren gerötet.
    Kein Zweifel: Draußen vor der Tür hatte die Party mittlerweile einen Gang zugelegt.
    »He, Mädels«, der Bielefelder fing sich nach der Schrecksekunde als Erster wieder, »habt ihr etwa kein eigenes Bett?«
    »Das könnten wir euch auch fragen«, gab Melli cool zurück und prostete ihm mit ihrem schaumigen Null-Promille-Bier zu.
    »War ein Witz«, sagte die Frau in Lila und blickte peinlich berührt zu Boden, »wir wollten nur Bescheid sagen, dass, äh … dass Anna gerade nebenan das Hochzeitsvideo ihrer Cousine vorführt.«
    »Danke«, erwiderte ich und lächelte zuckersüß, »wirklich reizend, dass ihr an uns gedacht habt.«

SINHASANA
    Der Löwe (Sinhasana) hilft, verwirrende Energien und Gedanken aus dem eigenen geistigen System zu entfernen.

    Die nächste Zeit verbrachte ich in einem Schwebezustand. Es war, als würde ich unendlich lang allein in einem Wartezimmer sitzen, ohne hereingerufen zu werden. Nicht etwa einem netten Hausarztwartezimmer, in dem man sich mit Brad, Angelina und Co. die Zeit vertrieb, bis man ein neues Heuschnupfentropfenrezept bekam. Sondern so einem fiesen Zahnarztwartezimmer, in dem man sogar zu nervös war, um die Gala zu lesen.
    Ich hätte Melli natürlich jederzeit beichten können, dass Siv und ich zusammen waren. Wenigstens irgendwie. Oder fast. Oder auf dem Weg dahin. Aber wie das mit solchen Geständnissen war: Den richtigen Zeitpunkt dafür gab es genauso wenig wie den richtigen Zeitpunkt für einen schmerzhaften Fahrradsturz ohne Helm oder den richtigen Zeitpunkt für eine betriebsbedingte Kündigung.
    Im ersten Moment auf Annas Party war ich erleichtert gewesen über Mellis Geständnis. Wenn sie Siv nicht nähergekommen war, als der Anstandsabstand zwischen Yogalehrer und -schülerin gebot, war schließlich alles im grünen Bereich. Alles, was zwischen den beiden vorging, spielte sich in ihrem Kopf ab. Dagegen waren Sivs und meine heimlichen Begegnungen durchaus handgreiflich. Auch wenn sie nach wie vor eher an eine esoterische Körpertherapie erinnerten. Und weniger an das, was Männer und Frauen in einem Schlafzimmer
gemeinhin miteinander anstellten, wenn sie sich nicht ganz und gar abstoßend fanden.
    Erst allmählich dämmerte es mir, dass Mellis Zustand noch viel gefährlicher war, als ich es zunächst verstanden hatte. Vor allem für sie und mich. Im Grunde verstieß ich mit jeder Mail, jedem Telefongespräch und jedem unserer Treffen gegen jede Grundregel einer Frauenfreundschaft. Jeder Tag ohne Geständnis machte alles noch viel schlimmer. Meine einzige Rechtfertigung war Sivs Schweigegebot. Schließlich musste ich das auch respektieren und nicht nur die Gefühle meiner besten Freundin. Auch und nicht zuletzt wegen der besseren Kanalisierung unserer Liebesenergie.
    Dummerweise kannte Melli ihrerseits kein Schweigegebot. Im Gegenteil. Sie hatte überhaupt kein anderes Thema mehr als den Mann mit S. Jedes Mal, wenn wir uns unterhielten, berichtete sie ungefragt und ausführlich von ihren Neuigkeiten. Und die gab es erstaunlicherweise reichlich. Selbst wenn sie Siv an den Tagen zwischen seinen Yogakursen bei Freddys Fitnessfarm überhaupt nicht zu Gesicht bekam.
    Einmal rief sie mich sogar morgens um vier an, um mir in allen Einzelheiten einen Traum zu erzählen. Siv und sie hatten sich auf einer Lotosblume an den Händen gehalten und dann hatte er sich plötzlich verwandelt.
    »In was denn?«, fragte ich mäßig interessiert. »Etwa in einen tanzenden Hindugott?«
    »Nein, da kommst du nie drauf! In ein Mofa!«
    Mellis Stimme überschlug sich fast vor Begeisterung, so als hätte Siv selbst diese entzückend originelle Idee gehabt und nicht ihr eigenes, hormongesteuertes Unterbewusstsein.
    »Ein Mofa?«
    »Genau. So ein frisiertes Teil mit

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