Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
Vom Netzwerk:
hast.«
    »Das kommt vor«, entgegnete Nadine kühl, »aber ich bin wenigstens ehrlich. Ich blähe nichts größer auf, als es ist. Sondern lasse es ganz entspannt auf mich zukommen.«
    »Und was ist mit mir?«, rief ich aufgebracht. »Schließlich hat sich viel bei mir verändert in den letzten Monaten. Ich bin viel gelassener geworden, viel mehr bei mir. Klar, früher sind meine Beziehungen immer wieder gescheitert. Weil die Männer vor mir weggelaufen sind. Aber jetzt …«

    Nadine verstärkte ihren Druck an meinem Arm, legte die Zeitschrift zurück auf den Couchtisch und sah mich eindringlich an. »Erstens sind das keine Beziehungen. Höchstens Anläufe dazu. Und zweitens bist du es, die wegläuft. Nicht die Typen.«
    »Ich? Wie kommst du denn darauf?«
    »Willst du eine ehrliche Antwort? Ich glaube, keiner von denen fühlt sich wirklich gemeint von dir. Als Mensch, mit dem, was ihn ausmacht, was ihn interessiert. Du willst bloß jemanden, der eine Rolle ausfüllt. Der dir endlich das heile Familienleben schenkt, das deine Eltern dir nicht so richtig geben konnten. Du rennst einem Phantom hinterher! Dem perfekten Mann! Was du suchst, ist nicht ein echter Mann aus Fleisch und Blut! Was du suchst, ist …«
    Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Tobi war noch immer mit dem Pickligen zugange. Unglücklich und achselzuckend lauschte er, während Tobi mit dem Zeigefinger auf die Handytastatur einhämmerte.
    »… Bielefeld!«, rief Nadine aufgebracht. »Was du suchst, ist Bielefeld! Den Ort, den es überhaupt nicht gibt.«
    Es war mit einem Schlag sehr still im Zimmer. Leute wandten die Köpfe und sahen uns an.
    »Doch«, sagte ich, »ich war da auf Klassenreise.«
    »Wie, du warst da auf Klassenreise? Das müsste ich doch wissen. Als deine Klassenkameradin.«
    »Ja. Weißt du aber nicht mehr. Und weißt du auch, warum? Weil du bei der offiziellen Stadtführung einen so mörderischen Kater hattest von der heimlichen Wodkasause im Jungszimmer, dass du nicht mitgekommen bist.«
    Nadine nickte, beeindruckt von sich selbst. »Wow. Einen mörderischen Kater mit siebzehn. Was hab ich denn unseren Lehrern erzählt? «
    »Magen-Darm. Zieht immer. Und war ja auch nicht ganz gelogen.«
    »Und hab ich was verpasst?«
    »Wo? In der Innenstadt von Bielefeld?«
    »Bielefeld?«, kam plötzlich eine vertraute Stimme aus Richtung Sofalehne. »War das nicht Osnabrück mit der Klassenreise?«

    Nadine und ich hoben die Köpfe, und ich schickte innerlich ein Stoßgebet in Richtung Nirvana, mit ganz viel Om und Shanti. Da hatten wir aber noch mal Glück gehabt. Melli war völlig unbemerkt hinter uns aufgetaucht.
    Nicht auszudenken, wenn ich gerade vom kosmischen Sex mit Siv geschwärmt hätte!
    »Melli!«, ich sprang auf und begrüßte sie überschwänglich. »Das ist ja toll, dass du endlich da bist! Wo ist Spaßbrem…, ich meine, wo ist Steve?«
    Ich blickte mich suchend um. Melli fixierte den Rotweinfleck unter dem Sofa, dann sah sie mich an.
    »Steve«, sagte sie, »Steve ist gestern ausgezogen.«

VIRABHADRASANA
    Die Heldenstellung (Virabhadrasana) energetisiert die Wirbelsäule und fördert so das Selbstbewusstsein.

    »Das hat er allen Ernstes gesagt?«
    »Genau so. ›Er oder ich‹.«
    Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, schwang Melli heftig ihre Flasche aus der Plastikkiste mit der Aufschrift »Nur für Autofahrer« hin und her. Schaum quoll aus dem Hals. Mit alkoholfreiem Bier stießen wir auf die Tatsache an, dass sie sich eben erst von ihrem langjährigen Freund getrennt hatte. Ich konnte mir nicht helfen, irgendetwas daran war würdelos. Aber gut. Es war ihre Beziehung. Also konnte sie auch das Getränk bestimmen.
    Melli ließ sich ein Stück auf Annas Bett zurücksinken und schlug die Beine übereinander. Wir hatten uns ins Schlafzimmer zurückgezogen, um in Ruhe zu reden. Nur wir beide, unter besten Freundinnen.
    Das Zimmer war noch kleiner als mein eigenes, nicht mal ein 1,60-Meter-Bett hätte hineingepasst. Auf der cremefarbenen Tagesdecke saß ein Plüschtier, eine seltsame Mischung aus Bär und Nilpferd, und sah uns mitfühlend an.
    »›Er oder ich‹«, wiederholte ich gedehnt. »Ich dachte immer, diesen Satz gibt es nur im Film. Ich meine, er ist so … abgeschmackt. Andererseits …«
    »Andererseits?« Melli legte eine Hand unter ihren Kopf und hob sich die Bierflasche an die Lippen. Sie sah aus wie eine Zwölfjährige, die bei einer Schulaufführung Janis Joplin spielen sollte. Ihre Rockerpose

Weitere Kostenlose Bücher