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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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tat. Das machte mir die leise Hoffnung, die beiden würden sich wieder versöhnen. Danach konnten dann auch Siv und ich uns outen, ohne dass jemand darunter zu leiden hätte.
    Oder?
    Der einzige Ort, an dem ich mich wirklich wohlfühlte, war mein Büro. Ich hatte gelernt, die beruhigende Wiederkehr des Immergleichen zu schätzen: Das Lili-Marleen -Geleier vor der Tür, die ständig falsch geschriebene »Backed Potatoe« aus der Kantinenküche, den hechelnden Wäschereimops in seinem Körbchen. Zum ersten Mal im Leben dachte ich nicht schon morgens an mögliche Gründe für eine Krankschreibung, wenn ich im fahlen Licht des Aufzugs stand, und zählte nicht die Stunden rückwärts bis zum Feierabend. Hier im siebten Stock war ich sicher, schwebte wie der erleuchtete Buddha über der Lotosblüte, betrieb vergnügtes Multitasking wie der tanzende Shiva mit seinen vier bis acht Armen. Hier fühlte ich mich angenommen und geborgen.
    Mehr als das. Ich würde fast sagen, Berger mochte mich mittlerweile richtig gern. Auf jeden Fall konnte ich mir seiner Gefühle deutlich sicherer sein als Sivs. Und sei es nur, weil Berger der nächsten Kundenbefragung entgegenfieberte wie ein Kind dem Weihnachtsabend. Weil ich ihn nicht enttäuschen würde. Siebenundzwanzig Prozent mehr Zufriedenheit? Pillepalle. Wir würden mindestens fünfunddreißig schaffen.
    Es hatte ein bisschen gedauert, bis wir uns auf den neuen Ton für die Antwortbriefe auf die Kundenbeschwerden geeinigt hatten. Schließlich hatten wir uns auf eine Reihe an Textbausteinen geeinigt, aber je länger ich mich auf meine neue, einfühlsame Art der Kundenbetreuung einstellte, desto weniger brauchte ich die. Meine Briefe wurden kleine Meisterwerke der Intuition, der Achtsamkeit und des Respekts. Hotelbett zu schmal, Tennisplatz zu heiß, Marmelade zu klebrig? All das waren kleine Nöte und Sorgen, die mein Mitgefühl verdient hatten. Wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.

    So verständnisvoll war ich, dass ich für viele Kunden von der Beschwerde-Sachbearbeiterin zur Telefonseelsorgerin aufstieg. Da war der Mann, der Geld zurück wollte, weil die Mountainbikes nicht doppelt, sondern nur einfach gefedert waren. Schließlich erzählte er mir mit tränenerstickter Stimme von der Affäre seiner Frau mit dem Animateur für Bogenschießen und Tai-Chi. Oder die Frau, die sich über die bissige Hotelkatze beschwerte und mir dann gestand, dass sie sich als Kind vergeblich ein Tier gewünscht hatte. Oft saß ich lang am Apparat, nickte geduldig, hörte zu, kommentierte wenig, und hinterher waren die Anrufer und ich gleichermaßen erschöpft, aber glücklich, wie nach einer anstrengenden Bergtour. In diesen Momenten wusste ich genau, was der graubärtige Walla-Walla-Mann in meiner allerersten Probestunde gemeint hatte: Alles ist Yoga.
    Wenn ich ungeduldig zu werden drohte, dann half ein Blick auf einen kleinen Plastikbuddha, den ich in einer Mittagspause in einem pakistanischen Import-Export-Laden erworben hatte. Der blickte undurchdringlich zurück und sagte nichts. Wahrscheinlich hatte er längst Samadhi erreicht. Erleuchtung. Die geistige Stufe, auf der niedere Triebe und Wünsche uns schon lange nichts mehr anhaben können. Seine Kunststoffaugen verfolgten meine tägliche Arbeit mit großer Sanftheit, und mehr als einmal gab er mir Kraft, wenn meine Kunden am anderen Ende vom Hundertsten ins Tausendste kamen, jetzt, wo sie sich endlich angenommen und verstanden fühlten.
    »Warten Sie nur ab«, beruhigte ich Berger, wenn ihm meine Gespräche und Mails zu lang und persönlich wurden, »wir bekommen im nächsten Geschäftsjahr eine sensationelle Repeater-Quote.« War ja nur logisch: Wo Kunden sich so ganzheitlich angenommen fühlten wie bei Sunny Side, würden sie mit Sicherheit auch im folgenden Jahr wieder buchen.
    Auch mein Businessyoga in der Kantine wurde ein Erfolg, obwohl ich es bei meiner Premiere nicht für möglich gehalten hatte. Vor allem Plisch und Plum hatten kräftig Werbung für mich gemacht und dabei diskret verschwiegen, dass ich nicht gleichzeitig meine Beine strecken und meine Hände auf dem Boden ablegen konnte. Ein paar von den Neuen brachten bereits Erfahrung mit, und in der Gruppe
war uns auch das Mantrasingen nicht mehr peinlich. Als bei der vierten Stunde sogar einer der Herren vom Controlling mitmachte, in Muscleshirt und Marathonschuhen, wusste ich: Ich hatte es geschafft.
    Und dann, an einem Montagmorgen etwa zwei Wochen nach Annas Party,

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