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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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Mellis Trennung und Nadines Wutausbruch, landete eine Mail mit Sunny-Side-Absender in meinem Postfach.
    Das hatte ich ja vor lauter Gewissensnöten völlig vergessen!
    »Liebe Evke«, stand dort, »ich habe es ja neulich schon gesagt – es ist mir doch wichtig, dass wir uns einmal in Ruhe unterhalten. Und leider hast Du mich nie angerufen, wahrscheinlich hast Du auch viel auf dem Zettel. Vielleicht hast Du morgen Abend Zeit, nach Deiner Yogastunde in der Kantine? Denn in ein paar Tagen werde ich nicht mehr in der Firma sein.
    Herzlichen Gruß
    Ilona.«

KURMASANA
    Die Schildkröte (Kurmasana) fördert die Flexibilität und hilft beim geistigen Rückzug in belastenden Lebenssituationen.

    Und dann kam dieser Dienstag, an den ich mich mein ganzes Leben lang erinnern würde.
    Ich weiß, das sagt sich so leicht: »mein ganzes Leben lang erinnern«. Aber, ganz ehrlich: Selbst bei wichtigen Ereignissen wissen wir doch später meistens nur noch so ungefähr, wie sie abgelaufen sind. Und nicht mehr jedes Detail drum herum. Oder kann sich jemand daran erinnern, was er an dem Morgen des Tages gefrühstückt hatte, an dem er den ersten Sex seines Lebens hatte? Oder bei welchem Lied morgens der Radiowecker angesprungen war an dem Tag, an dem Michael Jackson starb? Eben.
    Dieser Dienstag hatte es so sehr in sich, dass ich mich auch in Jahrzehnten noch an jede Kleinigkeit erinnern würde. Am Abend war ich jedenfalls sicher: Ich hatte in den letzten zwölf Stunden nicht nur meine aktuellen Karmasünden abgebüßt, sondern sicherlich auch die meiner nächsten fünf Leben.
    Das Tückische war, dass der Tag gar nicht so schlecht anfing. Und auch zwischendrin durchaus seine Momente hatte. Als ich um halb acht die Augen aufschlug, spielte die Welt da draußen jedenfalls ihr schönstes Sommertheater: Schäfchenwolken, Strahlesonne, Vogelgezwitscher, dazu diese komischen, kleinen Pappelsamen-Wattebäusche, die wie Schnee durch die laue Juliluft wehten. Der Wäschereimops trug ein neues blaues Samthalsband, der Leierkastenspieler leierte »All you need is love« (so kam es mir jedenfalls vor), der Patriotenpunk
klimperte zum Gruß mit seinem Pappbecher voller Kleingeld. Nicht einmal die Liftbeleuchtung konnte meine grundlos beschwingte Stimmung dämpfen. Das alles ging so lange gut, bis ich mein Büro betrat und sah, dass jemand auf meinem Drehsessel kippelte, der da nicht hingehörte.
    Der Jemand war Lisa-Marie. Und Lisa-Marie hielt etwas in der Hand.
    Als sie mich bemerkte, streckte sie es mir anklagend entgegen und blickte mich an wie einer von zwei Cops in einem dreckigen Polizeithriller, der gleich ein sehr unangenehmes Verhör starten würde. Definitiv nicht der Good Cop, sondern der Bad Cop.
    Ich trat noch einen Schritt näher, aber da ahnte ich es schon, mehr als ich es identifizierte. Lisa-Marie hatte ihre Bärchentasse gefunden.
    In meiner Schreibtischschublade.
    »Wie kommst du dazu, in meinen Sachen herumzuwühlen?«, ging ich in die Vorwärtsverteidigung. Verstohlen sah ich mich nach Berger um. Doch der hatte sich offensichtlich verdrückt. Typisch Mann. Hatte wohl Angst vor einer gepflegten Auseinandersetzung unter Frauen. Ich war fest entschlossen, mich für nichts zu entschuldigen. Für was auch? Ich hatte die Bärchentasse ja nicht einmal entführt. Im Gegenteil, ich hatte sie ja sogar wiedergefunden! Nur zurückgehalten hatte ich sie, für den richtigen Zeitpunkt.
    »Ich höre immer nur ›richtiger Zeitpunkt‹«, vernahm ich plötzlich eine feine Stimme aus Richtung meines Schreibtisches. Verblüfft blickte ich mich um. Da saß Mr Minibuddha und zwinkerte mir verstohlen mit seinen Kunststoffaugen zu. Was mischte der sich denn plötzlich ein? Der hatte doch noch nie einen Ton von sich gegeben!
    »Erinnert dich das an etwas?«
    Hm. Punkt für ihn. Es erinnerte mich tatsächlich an was. Da musste ich gar nicht so tief in der Vergangenheit graben. Schließlich wartete ich in einer ungleich wichtigeren Angelegenheit auch bereits seit Wochen auf den richtigen Zeitpunkt.
    Aber daran wollte ich nun wirklich nicht denken. Im Moment hatte ich ein anderes Problem.

    »Lisa-Marie«, wiederholte ich lahm, »wie kommst du dazu, einfach meine Schreibtischschublade aufzumachen?«
    Lisa-Marie warf sich mit einer Kopfbewegung eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich habe meine Quellen«, sagte sie in einem Ton, der wohl schneidend wirken sollte.
    »Es ist aber nicht so, wie du denkst«, ging ich in die Defensive.
    »Das hat mein Ex auch

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