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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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rührte mich. Diese I-will-survive-Haltung einer frisch getrennten
Frau, vor der sich das Leben plötzlich mit ganz neuen Möglichkeiten ins Zeug legte.
    »Weiß auch nicht. Steve war eben wirklich verzweifelt. Hört sich jedenfalls so an.«
    Ich kraulte das Bärennilpferd hinter seinen blasslila Ohren und musste wieder an Steves traurigen Techno-Schaumbart denken, in Barbies Bierbar. Den Gesichtsausdruck eines Mannes, der erleben musste, wie ihm etwas durch die Finger rann, leise und fast geräuschlos. Etwas, das sich so fest angefühlt hatte, so schwer und solide und unzerbrechlich. Da hatte wohl auch mein Ratschlag nichts mehr genützt.
    »Ja«, seufzte Melli, »er tat mir ja auch leid. Aber deshalb gleich meinen Buddha auf die Fliesen knallen, das ging dann doch zu weit.«
    »So macht man das eben mit einem Nebenbuhler. Man sagt ›Er oder ich‹, und wenn die Freundin ›er‹ antwortet, dann geht es ihm an den Kragen. Das Ganze ist nicht mal ein Fall für die Polizei.«
    Melli lachte freudlos auf. »Richtig. Aber genützt hat es Steve auch nichts. Im Gegenteil. Wenn er nicht auch noch meinen Altar verwüstet hätte, dann wäre ich ja bereit gewesen, noch mal in Ruhe mit ihm zu reden. Das hat mir dann doch gezeigt, wie weit wir schon auseinandergedriftet sind. Weil einfach seit einiger Zeit so ganz andere Dinge in meinem Leben zählen als früher. Spiritualität, Achtsamkeit, Körperbewusstsein …«
    »Melli?« Es war keine Absicht, aber meine Stimme kam nur als kraftloses Flüstern heraus. Es half nichts, ich musste den Stier bei den Hörnern packen.
    »Melli? Ist es wirklich nur das? Spiritualität, Yoga? Ich meine, sind es wirklich nur … Dinge, die dir wichtig geworden sind? Oder vielleicht auch etwas anderes? Etwas wie … Menschen?«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, gab sie misstrauisch zurück. Jetzt gab es kein Halten mehr.
    Ich setzte mich im Bett auf. Meine Hand verkrampfte sich im lila Fell des Nilpferdbären. »Melli«, sagte ich, »hast du was mit Siv?«
    Es war sehr still. Stimmengewirr drang nur von fern an unser Ohr, wie der Sound einer Autobahn hinter einem Lärmschutzwall. Draußen
auf der Straße klappte eine Autotür, eine Sirene kam näher und entfernte sich dann wieder.
    »Ob ich was mit ihm habe?« Melli pulte an ihrem Bieretikett herum. »Wie meinst du das, Evke? Was heißt haben? Wenn du wissen willst, ob ich ihn geküsst habe – die Antwort ist nein. Wenn du wissen willst, ob ich mit ihm geschlafen habe – die Antwort ist doppelt nein.«
    Himmelherrgottbuddhajesusshivaseidank. Das war’s also nicht.
    Was war’s dann?
    Melli kniebelte noch immer am Bierflaschenetikett. Der Markenname war kaum noch zu lesen.
    »Ist es denn das, was zählt?«, fragte sie. »Ich meine, kann es nicht einen viel feineren Energieaustausch zwischen zwei Menschen geben? Eine ganz behutsame Form der Annäherung, des Erkennens?«
    Auweia. Melli hörte sich nicht mehr an wie Melli. Sie hörte sich an wie aus einem Lebenshilferatgeber. Sie hörte sich an wie der bayerische Yogaguru vom ostfriesischen Retreat. Sie hörte sich an wie …
    Sie hörte sich an wie ich.
    Keine halbe Stunde war es her, da hatte ich solche Sätze zu Nadine gesagt.
    »Melli, keine Ausflüchte jetzt«, sagte ich streng. »Was läuft da genau zwischen dir und ihm?«
    Melli wühlte ihren Po tiefer in die Matratze. »Das lässt sich nicht mit einem Satz sagen«, antwortete sie schließlich. »Ich meine, ich hab einfach das Gefühl, als wäre da eine ganz tiefe Verbindung, verstehst du? Eine, die gar keine Worte braucht, die nicht mal Berührungen braucht. Da reicht ein Blick. Es ist etwas – etwas Schicksalhaftes. Und jetzt habe ich einfach die Weichen in meinem Leben so gestellt, dass sich dieses Schicksal erfüllen kann.«
    »Melli«, ich knetete nervös das lila Ohr des Nilbären, »weiß Siv denn überhaupt, dass du in ihn verliebt bist? Hat er dir … ich meine, hat er dir irgendwelche Hoffnungen gemacht?«
    Sie blickte überrascht auf. »Aber das versuche ich dir doch die ganze Zeit zu erklären. Dafür braucht es keine Worte, keine Geständnisse. Ich bin mir sicher, er spürt das! Und wartet wie ich nur auf den richtigen Zeitpunkt. Soll ich dir mal was verraten? Nachdem Steve
gegangen war, habe ich eine Tarotkarte gezogen. Nur eine einzige, um zu wissen, was jetzt auf mich zukommt. Und rat mal, was es war?«
    »Pikass?«
    Melli schüttelte unwirsch den Kopf. »Tarot! Nicht Poker! Ich verrate es dir: Es waren die

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