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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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total überschätzt. Es gibt so viel zartere Möglichkeiten, Liebe auszutauschen. Ohne gleich so brutal in das Energiefeld eines anderen Menschen einzudringen.«
    Verdutzt sah sie mich an. Dann begann sie zu lachen. »Mann«, sagte sie, »du hast die Yoga-Weisheit echt mit Löffeln gefressen in letzter Zeit.«
    Ich holte tief Luft.
    »Nadine, ich muss dir etwas erzählen.«
    Sie hob fragend die Augenbrauen.
    »Ich habe jemanden kennengelernt.«
    »Wirklich? Du hast einen neuen Kerl?« Nadine sah sich suchend um. »Wo ist er?«
    »Nein«, sagte ich abwehrend, »so weit ist es auch noch nicht. Weißt du, es ist jemand – wir gehen sehr zart und vorsichtig miteinander um. Und mit unseren Gefühlen. Wie mit einem ganz zarten Pflänzchen.«
    »Und deshalb kannst du ihn nicht mit auf eine Party nehmen, das zarte Gewächs?«
    Es war ein merkwürdiger Ton in ihrem Blick. Fast so, als glaubte sie mir nicht.
    Ich ließ meine Blicke schweifen. Melli war noch immer nicht hier. Engelchen und Teufelchen kämpften einen verbissenen Kampf in mir drinnen. Oder waren es Vishnuchen und Shivachen? Das Welterhalterchen und das Weltzerstörerchen?

    »Melli darf es auf keinen Fall auf Umwegen erfahren!«, mahnte mich eine sanfte Stimme in meinem Kopf. »Du hast schon viel zu viel verraten. Und außerdem keine Ahnung, wie das mit Siv und dir überhaupt weitergeht.«
    »Keine falsche Zurückhaltung!«, grölte eine andere Stimme, die sich eher anhörte wie eine Freizeitstripperin aus dem Privatfernsehen. »Nadine hat einen derartigen Erfolg bei den Kerlen, da musst du mal was dagegensetzen!«
    Nadine strich ihr meergrünes Kleid glatt und blickte mich mit einem undurchdringlichen Gesichtsausdruck an.
    »Es ist ein klein wenig kompliziert«, begann ich ausweichend, »aber eines kann ich dir schon sagen. Noch nie, also wirklich nie , habe ich so sehr das Gefühl gehabt, dass es einfach stimmt. Dass er der Mann sein könnte, mit dem ich …«
    Ja, was eigentlich? Alt werden wollte? Ein Landhaus mit Yogaloft und Übungsgemüsegarten kaufen wollte?
    Während ich noch nachdachte, erschien zwischen Nadines Brauen eine steile Falte. Nadine schüttelte unwirsch den Kopf, und schließlich stellte sie ihr Glas so heftig auf den Tisch ab, dass der Rotwein spritzte. Leider nicht auf Annas pflegleichtes Sofa, sondern auf den weißen Flokati darunter.
    Nadine sah nicht einmal hin.
    »So«, sagte sie, »weißt du was, Sweetie? Ich kann es einfach nicht mehr hören.«
    »Nadine«, ich sah sie verdattert an, »was ist denn in dich gefahren? Ich dachte immer, du würdest dich für mich freuen, wenn ich endlich …«
    »Ja«, sie fasste mich fest am Oberarm, »würde ich auch. Aber weißt du, worüber ich mich nicht freue? Wenn ich mir alle drei Monate anhören muss, dass du den Mann deines Lebens getroffen hast. Dass es so toll ist wie nie und so perfekt passt wie füreinander geschnitzt. Und nach zwei Wochen ist dann wieder Sense. Da komme ich echt nicht mehr mit. Und ich kann es auch nicht mehr ernst nehmen.«
    Wie zum Beweis griff sie mit der freien Hand nach der Sunny
Times vor mir auf dem Couchtisch und hielt mir ein Foto unter die Nase.
    Mir blieb fast die Luft weg.
    Es zeigte Chris und mich auf der Betriebsfeier, die Gesichter so nah zusammengesteckt, dass gerade mal eine Yogamatte dazwischen gepasst hätte. »Bei heißen Rythmen das Tanzbein in fröhlicher Runde geschwungen: Evke Frank, Customer Relations Assistant, und Chris Müller-Nolten, Großkunden und Firmendienst.«
    Warum konnten die »Rhythmen« nicht richtig schreiben?
    Warum hatte ich nicht gemerkt, dass uns jemand fotografiert hatte?
    Warum hatte Chris eigentlich so eine uncoole, deutsche Berufsbezeichnung?
    Und warum war da immer noch dieses leise Ziehen in mir, wenn ich sein Bild sah?
    »Ja, schau ihn dir nur an!« Nadine fuchtelte noch wilder mit der Zeitung. Jetzt sahen Chris und ich aus wie Darsteller in einem dänischen Dogma-Film, mit viel wackliger Handkamera aufgenommen und von düsterem Schicksal bedroht.
    »Keine drei Monate ist es her, da hast du uns allen erzählt, dass du den Vater deiner Kinder getroffen hast. Mal wieder. Und was ist daraus geworden?«
    Nadines Ausbruch hatte mich überrascht. Jetzt wurde ich langsam, aber sicher selbst wütend. »Das sagt die Richtige!«, protestierte ich. »Du hast doch einen solchen Männerverschleiß, dass du dir kaum noch die Namen merken kannst! Du musst doch morgens an der Türklingel gucken, mit wem du die Nacht verbracht

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