Mantramänner
Yogazentren. Nach unserem Wochenende habe ich mich in einem davon angemeldet. Ja, und dann sind Siv und ich uns, wie soll ich sagen, nähergekommen. Ich würde sogar sagen, wir sind zusammen, auch wenn das noch nicht so offiziell ist. Tja, und weil ich nicht wusste, wie ich das Melli erklären soll, wollte ich von dir …«
Ich kam nicht weiter. Nadine rief etwas, das klang wie »Du Sau«.
»Sau? Ich?«
Ich hatte nie behauptet, die Welt zu verstehen. Doch was sie sich heute leistete, diese Welt, das schlug dem Fass den Boden aus.
»Nicht du«, Nadine lachte leicht hysterisch, »ich meine die Sau. Siv.«
»So kann man das nicht nennen«, verteidigte ich ihn, »er hat Melli ja keine Hoffnung gemacht. Das fand ja alles in ihrem Kopf statt. Ich meine, er hat nun wirklich nicht mit ihr geschlafen.«
Nadines Antwort konnte ich nicht verstehen, weil gerade jemand im Hintergrund in eine Fußballtröte blies. Jedenfalls war ich sicher, dass ich es nicht richtig gehört hatte.
Oder konnte sie wirklich gesagt haben, was ich glaubte verstanden zu haben?
»Noch mal«, forderte ich, »war gerade so laut.«
»Ich sagte: Aber mit mir.«
Nicht nur der Boden brach weg. Die ganze Erde begann sich in eine falsche Richtung zu drehen, die Temperatur sank unter den absoluten Nullpunkt, sämtliche Moleküle stellten ihre Bewegung ein und verharrten in Schockstarre.
»Siv hat mit dir geschlafen?«
»Ja, aber nicht so oft. Zwei, drei Mal. Ich fand’s auch nicht so toll, ehrlich gesagt. Zu viel ›Oh-ich-spür-dich-so-intensiv‹-Gerede, zu wenig Action, wenn du verstehst, was ich meine. Scheiße, ich hatte ja keine Ahnung, dass auch du … wie hast du es ausgedrückt? Dass ihr zusammen seid?«
»Ja. Dachte ich wenigstens. Bis vor fünf Minuten.«
»Und warum wusste ich davon nichts? Ich dachte, wir sind Freundinnen! « Nadine klang leicht beleidigt.
»Dasselbe könnte ich dich auch fragen!«, empörte ich mich. »Warum hast du mir nichts erzählt?«
»Tja. Es gab da, wie soll ich sagen – es gab diese Art Schweigegelübde. «
»Schweigegelübde? Das heißt, er hat dich auch gebeten, dass du mit niemandem über ihn und dich reden sollst? Wegen der Energie …«
»… die sonst verpufft. Genau. Und das hat er bei dir auch gemacht? «
»Genau so.«
»Boah.«
»Boah, ey.«
Nach einer kurzen Pause fing Nadine wieder an zu sprechen. »Aber eigentlich, Evke, also, nimm mir das nicht übel – eigentlich bist du doch nicht der Typ, der Geheimnisse besonders gut für sich behalten kann, oder?«
Zugegeben: Da hatte sie recht. »Ich wollt’s dir ja erzählen«, sagte ich lahm, »auf Annas Party. Du hast mir nicht zuhören wollen.«
»Ach ja. Annas Party«, sie gluckste plötzlich, als wäre etwas sehr Komisches passiert. »Ja, da hatte ich ihn auch vorher getroffen. An dem Nachmittag, das war tatsächlich nicht so übel. Aber, sorry, was red ich denn – das willst du natürlich gar nicht hören.«
»Ich hatte ja keine Ahnung … wieso hast du überhaupt Kontakt zu ihm gehabt, nach dem Wochenende?«
»Du hast es doch selbst gesagt«, jetzt klang ihr Lachen deutlich freudloser, »der junge Mann tanzt auf mehreren Hochzeiten, das heißt, ich meine natürlich, er unterrichtet in mehreren Yogazentren.
Cleverer Schachzug, wenn du mich fragst. Nach dem Wochenende in Werderhorst habe ich mir einfach den Stundenplan der Nirvana Lodge noch mal etwas genauer angeschaut und die Gruppe gewechselt. Ich dachte, ein bisschen Abwechslung kann nicht schaden. Dabei hat mich Siv gar nicht so interessiert. Als Mann, meine ich.«
»Eben!«, rief ich. »Der ist doch gar nicht dein Typ!«
»Recht hast du. Ich weiß auch nicht – wir sind mal nach der Stunde ins Gespräch gekommen, und irgendwie hat er da meine weiche Seite erwischt. Hat mir gesagt, in mir sei so eine große Traurigkeit, und meine ganze Enttäuschung würde man in meinen Hüften spüren. Da hab ich mich irgendwie – verstanden gefühlt. Angenommen.«
»Das mit der Traurigkeit kommt mir bekannt vor«, jetzt musste auch ich ein irres Kichern unterdrücken, »nur das mit den Hüften, das ist mir neu. Ihr hattet also richtigen Sex? Mit allem Drum und Dran?«
»Ich sag doch. Mir war’s ein bisschen zu wenig Drum und Dran und zu viel Gerede. Ich will jetzt keine schmutzigen Details ausbreiten. Aber rein biologisch betrachtet haben wir’s gemacht, da gibt es keine zwei Meinungen.«
»Ich fass es nicht!« Ich rutschte an der Wand meines Wohnzimmers herunter, kauerte mich auf dem
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