Mantramänner
Frank.
»Aber wie«, stotterte ich, »wie kann denn diese Mail bei dir …«
Dann fiel es mir wieder ein. Der Anruf. Fixx-TV, die Einladung in die Talkshow. Nebenbei und ohne richtig hinzusehen hatte ich die Nachricht abgeschickt. Und musste dabei die falsche Adresse erwischt haben. Sonnenschein_82 statt Sexybitch_83. Was mussten die auch ausgerechnet Mailadressen haben, die mit dem gleichen Buchstaben anfingen?
»Melli«, sagte ich, »das tut mir so leid, dass du auf diese Weise … wollen wir uns gleich treffen und reden? Auf einen Iced Chai im ›Delhi Deli‹? Die haben ein tolles Wochenangebot, bei dem …«
»Evke«, unterbrach mich Melli, »ich glaube nicht, dass ich mit dir irgendwo hingehe. Ich wüsste auch nicht, was es noch zu reden gibt.«
»Ja«, plapperte ich weiter um mein Leben, »dann vielleicht morgen? Ich könnte vielleicht früher Schluss machen und dich im Kindergarten abholen, und wir …«
»Weißt du was?« Mellis Stimme klang wieder gefasst, und das erschreckte mich fast noch mehr als ihre Tränen zu Beginn.
»Weißt du, ich glaube, ich möchte dich erst einmal überhaupt nicht mehr sehen.«
»Aber Siv …«, begann ich, und wieder unterbrach sie mich.
»Lass Siv aus dem Spiel«, sagte sie düster, »der hat mir immerhin nie etwas versprochen. Auch wenn ich immer geglaubt habe, zwischen uns würde etwas wachsen. Hab ich mich wohl getäuscht. Egal. Aber du, du hast mich betrogen. Und dabei bist du meine Freundin. Wenigstens warst du das bis heute.«
Ich hielt das Telefon noch immer, obwohl schon das Besetztzeichen daraus tutete. Kraftlos ließ ich mich niedersinken. Was sollte ich nur tun?
Zu Mellis Wohnung fahren und Sturm klingeln?
Doch erst mal warten, bis mein Vater anrief, um ihm die Meinung zu sagen?
Gab es für solche Dramen vielleicht eine Yogaregel?
Ich dachte daran, was mir Melli zum Thema Karma Yoga erzählt hatte. Immer das tun, was gerade ansteht, und das mit voller Hingabe.
Wenigstens hatte sich auf diese Weise mein Geburtstagsdilemma von selbst gelöst.
Im gleichen Moment, in dem ich diesen Gedanken hatte, schämte ich mich auch schon dafür.
Was hatte ich Nadine geschrieben? Oder schreiben wollen? Dass ich ihren Rat brauchte? Jetzt brauchte ich ihn mehr denn je.
Ich brauchte ganz dringend eine Freundin, mit der ich reden konnte. Und zwar sofort. Zuerst über Melli. Dann über den Meteoriteneinschlag namens Papa.
Nadine hob beim ersten Klingeln ab und klang, als würde sie vor Energie platzen.
»Sweetie!«, rief sie in den Hörer. »Ich bin gerade auf der After-Work-Goa-Party im Beachclub City! Komm vorbei, ich hab schon an dich gedacht! Es gibt nämlich Caipirinha für zwei Euro!«
»Sitzt du?«, fragte ich zurück.
»Ob ich sitze?«, ich hörte sie kichern. »Ja, ich sitze sogar ausgesprochen gut. Ich weiß nur nicht genau, auf wem. He, du! Wie heißt du?« Ich hörte Geraschel, neues Gekicher und Loungemusik im Hintergrund. »Der heißt Malte«, sagte sie, »und ich sitze gerade auf seinem Schoß, weil kein Strandkorb mehr frei war.«
»Gut. Hauptsache, du sitzt.«
»Hey, was ist los bei dir? Alles okay?«
»Nein. Gar nichts ist okay. Nadine, ich hab dir heute eine Mail geschrieben, und die ist aus Versehen bei Melli gelandet.«
»Und was stand drin? Was Interessantes?«
»Hör zu, du wolltest das ja neulich nicht wissen, aber jetzt muss ich es dir einfach sagen. Erinnerst du dich an den Yogalehrer von unserem Wochenende im Ashram?«
»Den Bayern, der immer auf ›mei‹ meditiert hat?«
»Nein. So einen großen, gut aussehenden, mit rasiertem Schädel, der …«
»Siv?« Ihre Stimme klang seltsam alarmiert.
»Du erinnerst dich?«, fragte ich noch einmal.
»Ja.«
Ich wartete, ob sie noch mehr zu sagen hatte. Sie blieb bei ihrer knappen Antwort.
»Jedenfalls, die Sache ist die, Melli ist total verliebt in Siv. Es hat sogar damit zu tun, dass Steve und sie sich getrennt haben. Sie ist überzeugt, dass er so etwas ist wie die verlorene Hälfte ihrer Seele.«
»Ja. Und?«
Was war die denn plötzlich so einsilbig?
»Nadine?«
»Hm?«
»Sag mal, fummelt dieser Malte gerade an dir herum?«
»Nee. Nicht ablenken. Was läuft denn zwischen Melli und Siv? Läuft da überhaupt was?«
»Nein, eben nicht. Aber … wie soll ich sagen …«
»Komm, spuck’s aus!«
Seltsam. Ihr Ton war so barsch. Irgendwie – angespannt.
»Na ja«, begann ich eingeschüchtert, »Siv gibt ja nicht nur Kurse in Freddys Fitnessfarm, sondern auch in anderen
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