Manuskript des Teufels
abgerutscht war. Die noch rechtzeitig herbeigerufene Hilfe hatte ihm das Leben gerettet.
Jordans zweiter Einsatz galt den kleinen Kapellen mit den drei Altären, die den Heiligen Michael, Benedikt und Stephan gewidmet waren. In diesen karg ausgestatteten Räumen war die Arbeit schnell getan. Nichts erweckte den Verdacht, als Versteck geeignet zu sein. Die Tabernakel schloss er als Versteck aus. Für einen Katholiken wäre es unvorstellbar, dass das ‚Allerheiligste‘ von Mönchen als Versteck missbraucht werden könnte. Den Kapitelsaal hingegen, der für feierliche Handlungen wie Novizengelübde, Novizeneinkleidung und Abtwahl vorgesehen war, inspizierte er genauestens, aber erfolglos.
In der dritten Nacht stand die Überprüfung des Skriptoriums mit der benachbarten Bibliothek auf dem Programm. Es wurde eine Sisyphusarbeit, aber er wollte unbedingt alle Bücherregale unter die Lupe nehmen. Umsonst!
In der nächsten Nacht leuchtete er mit seinem Infrarotnachtsichtgerät den extrem nüchtern gehaltenen Speisesaal der Mönche und Patres aus. Das sogenannte Refektorium mit den unbequemen, schmalen Tischreihen und den einfachen Holzhockern als Sitzgelegenheit, bot ebenfalls keinen Anhalt für ein passendes Versteck. Eine mühsame Sucharbeit bereitete allerdings die Klosterküche und die drei anschließenden Vorratsräume. Eine Schreckminute bereitete ihm ein kleines selbstverschuldetes Unglück. Er hatte eine, auf einer Tischecke stehende leere Blechdose übersehen. Als diese laut scheppernd auf dem Steinboden aufschlug, verharrte Jordan für mehrere Minuten und lauschte. Zum Glück tat sich nichts. Niemand schien diese Störung wahrgenommen zu haben. Schränke, Regale, Tischschubladen, Töpfe, Kübel, zwei große Kühlschränke und Gefriertruhen wurden einer genauen Inspektion unterzogen. Alles ohne erhofftes Ergebnis.
Als er in der fünften Nacht der kleinen Likörfabrik seine Aufmerksamkeit widmete, wäre er fast der Versuchung erlegen, sich aus einer halb gefüllten Flasche einen kräftigen Schluck des in aller Welt beliebten Mariawalder Klosterlikörs zu gönnen. Aber auch hier konnte er keine Stelle ausmachen, die für ein Manuskriptversteck in Frage gekommen wäre.
Einsatz Nummer sechs diente dazu, das Versäumte nachzuholen. Die sich an den Kirchenchor anschließende Sakristei wurde dominiert von einem von Seite zu Seite und vom Boden bis zur Decke reichenden, aus massiver Eiche gearbeiteten Wandschrank. Die gesamte Front beeindruckte durch zahlreiche kostbare Schnitzereien, die diesem antiken Möbel sicherlich eine hohe Wertigkeit verliehen. Sämtliche Schranktüren und Schubladen besaßen schmiedeeiserne Schlösser in denen jeweils ein Schlüssel steckte. Jordan stieß bei seiner Durchsuchung auf zahlreiche hochwertige Messgewänder und Gottesdienstutensilien wie Kelche, Monstranzen, Kerzenleuchter Weihrauchfässer und mehrere luxuriös verzierte Mess-bücher und Bibeln. Aber ein Manuskript begegnete ihm nicht.
Ein Blick in die sich anschließende Josefskapelle überzeugte ihn davon, dass es hier für ihn nichts zu suchen gab.
In der folgenden Nacht hatte er erneut ein Mammutprogramm zu bewältigen. Er wollte sich die zum Kloster gehörenden Außenanlagen ansehen. Hierzu zählten die landwirtschaftlich genutzten Nebengebäude, mit Scheune und Stallungen, die Gartenkapelle und die aus Natursteinen direkt über einer kleinen Quelle, dem Marienbrünnlein, errichtete Lourdes-Grotte. Die Scheune war leer. Auf dem gefegten Betonboden war kein einziger Strohhalm auszumachen. Sie diente lediglich als Abstellplatz für zwei scheinbar ausgemusterte Pferdekarren. In dem großen Stall verloren sich zwei Haflinger-Pferde, die einen offensichtlich gut gepflegten Eindruck machten.
Jordan war soeben auf dem Weg zur diagonal gelegenen Ecke des Stalles, wo eine völlig vergessene Holztruhe ein kümmerliches Dasein fristete. Er hatte diese Stelle fast erreicht, als hinter ihm mit lautem Knall die Stalltür, durch die er eingetreten war, ins Schloss fiel. Erstarrt blieb er stehen und drehte sich um. Zu sehen war Nichts und Niemand. Nach einigen Minuten trat er zum Fenster und schaute hinaus. Sein Nachtsichtgerät leuchtete die gesamte Hofanlage aus. Auch draußen bewegte sich nichts. Vielleicht hatte eine Windbewegung, die von ihm beim Eintreten offen gelassene Tür zugeworfen. Die Holztruhe war völlig leer. Kein doppelter Boden.
Beim Blick in die mit einem schmiedeeisernen Gitter verschlossene Gartenkapelle musste er
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