Manuskript des Teufels
Tauben direkt in den Mund. Ausgerechnet die beiden, die wir zu bespitzeln haben, stellen sich direkt neben unseren Wagen und erzählen uns alles, was wir wissen müssen.“
Toto griff zum Autotelefon und wählte eine Direktnummer. „Hallo, Signore Flavio, hier ist Toto. Wir haben alle nötigen Informationen. Okay, di ringraziamento.“
Nach zwei Minuten legte er auf und wandte sich an Carlo: „Der Chef war geradezu begeistert. Wir fahren ins Hotel und warten auf weitere Anweisungen.“
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Auf der Strecke nach Frankfurt herrschte pausenlos hohes Verkehrsaufkommen, das Kirschbaums Aufmerksamkeit ununterbrochen in Anspruch nahm. Seine Mimik glich sieben Tagen Regenwetter, was weniger am Verkehr als vielmehr an seinem schmerzenden Gewissen lag.
Einerseits hatte er seine berufliche Überzeugung und seine ehrliche persönliche Meinung vertreten. Andererseits hatte er den Professor, der sicher ein liebenswerter Mensch war, nach Strich und Faden belogen.
Diesem freundlichen, offen und ehrlichen D’Aubert hatte er auf schändliche Weise vorgegaukelt, der Efraim-Kirschbaum-Verlag wolle sein Werk veröffentlichen.
Für den Verrat des Versteckes hatte er ihm eine halbe Million Euro gezahlt. Dass er von den zur Verfügung stehenden zwei Millionen nur ein Viertel in Anspruch genommen hatte, würde ihm viel Lob einbringen, milderte aber die fatale Meinung über sich selber nicht.
Und dann keimte ein weiteres Gefühl in ihm auf, das er lange nicht gespürt hatte. Es war die Ohnmacht gegenüber den Mächtigen in Tel Aviv. Er war wütend darüber, dass ein Manuskript mit dem Zeug für einen Welt-Bestseller nie das Licht der Öffentlichkeit sehen durfte.
Und dann überwältigten ihn Trauer und Wehmut. Er hatte einen netten, sympathischen und wertvollen Menschen als Freund gewonnen und sogleich wieder verloren.
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Als Leano morgens aus seinem Hotelzimmer trat, fing ihn Fontana auf dem Flur ab und wirkte, als habe er es eilig.
„Wir wissen“, sagte er, „dass der Mossad Donnerstagnacht gegen 24 Uhr versuchen wird, das Manuskript in seinen Besitz zu bringen. Im Gegensatz zu den Jungs vom Mossad kennen wir den genauen Ort des Verstecks innerhalb des Klosters nicht. Ich beabsichtige, die observierenden Kollegen abzuziehen, nachdem sie uns noch eine exakte Wegebeschreibung, Lageskizze und ein paar Fotos des Klosters zugemailt haben. Danach fordere ich zwei Spezialisten an, die ins Kloster eindringen und...“
„Stopp!“, rief Leano dazwischen. „Warum machst du es so kompliziert?“
„Äh ... wie meinst du das?“, stotterte Fontana.
„Überlass doch der Konkurrenz die Arbeit. Und wenn sie mit dem Manuskript draußen sind, überwältigen wir sie. Basta!“ Er legte eine kurze Pause ein, bevor er ergänzte: „Ich werde übrigens höchstpersönlich dabei sein und die Operation beobachten.“
„Äh ... Du willst wirklich...?“ Fontana schien erstaunt.
„Du weißt doch genau, warum mich Vittorio nach Deutschland geschickt hat. Ich soll mir praxisnahen Einblick in unsere Arbeit verschaffen. Und genau dieser Anordnung werde ich damit gerecht. Ja, ich bin beim Eifelkommando dabei.“
Fontana lief dunkelrot an, und Leano konnte sich vorstellen, was er dachte: ‚Von diesem jungen Schnösel lass ich mir nicht die Suppe versalzen. Die Lorbeeren werde ich einstreichen’.
Stattdessen kam ein Friedensangebot. „Wenn der oberste Chef das so will, werde ich nicht widersprechen.“ Und fügte einen Moment später hinzu: „Wird schon nicht schief gehen. Wir sind ja an deiner Seite. Unsere beiden Spezialisten werden dich Donnerstagmittag hier im Hotel abholen. Ich werde veranlassen, dass für dich ein drittes Nachtsichtgerät an Bord ist.“
Flavio Fontana drehte auf dem Absatz um und machte sich von dannen, ohne sich zu verabschieden.
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Etwa zur gleichen Zeit stand eine Telefonverbindung zwischen dem Efraim-Kirschbaum-Verlag in Frankfurt und der Mossad-Zentrale in Tel Aviv.
„Schalom Alejchem, Efraim.“
„Schalom und yum tuv, hallo und guten Tag, Tami Pardo“, erwiderte Kirschbaum den Gruß des Offiziers. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht...“
„Mach‘s nicht so spannend“, fiel ihm der Mossad-Chef ins Wort, „fass dich kurz!“
„Slekhah, Entschuldigung. Der Auftrag wird zu hundert Prozent erfüllt. Ich kenne den genauen Ort, an dem das begehrte Zielobjekt versteckt ist. Am yum khmyshy, am Donnerstag, gegen Mitternacht, werden wir den Gegenstand der Begierde holen. Ohne genaue
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