Mara und der Feuerbringer, Band 3: Götterdämmerung (German Edition)
gleißende Kraft aus, dass Mara im ersten Moment dachte, es würde sie blenden. Doch als sich ihr seherischer Blick darauf eingestellt hatte, wurde es nicht nur erträglich, sondern sogar irgendwie … wärmend.
»D… der sieht aus wie … das ist … «, stotterte Steffi leise.
»Gandalf«, vollendete Mara den Satz, denn das wusste sie ja nun bereits. Zu dem einen Unterschied, der Augenklappe, hatten sich nun auch noch zwei andere Unterschiede gesellt: Odin wurde begleitet von zwei Wölfen.
»Odin! Das ist Odin höchstpersönlich! Ich werd verrückt«, flüsterte Steffi einfach weiter und machte unwillkürlich einen Schritt hinaus aus ihrer Deckung in die Halle hinein.
Ruppiger, als sie gewollt hatte, riss Mara die erwachsene Frau wieder zurück hinter den reich verzierten Holzbalken. »Bitte nicht! Es wäre echt besser, wenn die uns gar nicht bemerken! Ich glaube nämlich, dass die uns sehen könnten. Ich hab zwei Arten von Visionen. Entweder erzählt mir wer was, und es ist wie eine Art Film, wo ich einfach nur zuschaue und keiner mich sieht, oder ich steig selber rein in die Vision, und dann bin ich aber auch wirklich da.«
»Ah…, aha?«, stammelte Steffi nur.
»Ja, zumindest ist das meine Vermutung, und irgendwie passt es zu dem, was wir bisher so erlebt haben. Garantie hab ich keine. Ist auf jeden Fall besser, wenn wir hier stehen bleiben. Oder wieder abhauen. Ich wollte ja nur zeigen, was hinter der ganzen Sache steckt – und zwar so, dass Sie mir glauben. Glauben Sie mir jetzt?«
»Ich … ich weiß nicht … das ist alles sehr … « Steffi war noch nicht bereit für ganze Sätze nach den geltenden grammatischen Regeln. Zu sehr war sie damit beschäftigt, alles in sich aufzusaugen, was sich vor ihren Augen abspielte.
»Gut, dann bleiben wir noch ein bisschen. Aber nicht mehr lange, weil es geht bestimmt gleich wieder was schief«, sagte Mara.
»Es geht was schief? Was denn?«, fragte Steffi zögerlich.
»Keine Ahnung. Aber schiefgehen wird es.«
Gerade hatte sich Odin gesetzt, und nach ihm nahmen auch alle anderen in der Halle wieder Platz. Mara fiel auf, dass der oberste Gott offensichtlich keinen Wert auf allzu große Sonderbehandlung zu legen schien. Zumindest war der Platz, auf den er sich gesetzt hatte, von den anderen Tausenden Sitzplätzen nicht zu unterscheiden.
Vorsichtig wagte sich Mara nun doch etwas weiter aus ihrer Deckung. Da flatterte etwas über ihren Kopf hinweg, und Mara duckte sich erschrocken. Zwei schwarze Schatten rasten auf Odin zu und ließen sich dann direkt vor ihm auf dem Tisch nieder: Hugin und Munin.
Sofort zog sich Mara wieder zurück, denn obwohl die beiden Raben zu diesem längst vergangenen Zeitpunkt eigentlich noch nichts von Mara Lorbeer gehört haben konnten, wollte sie kein Risiko eingehen.
»Das ist doch alles nicht wahr, ich glaub das nicht«, hörte sie da Steffi hinter sich brabbeln.
»Also, wenn Sie es jetzt immer noch nicht glauben, dann können wir ja genauso gut wieder abhauen«, flüsterte Mara und fasste ihr an die Schulter.
»Nein, warte! WARTE!«, entgegnete Steffi und wand sich aus Maras Griff. »Ich … ich muss noch … das ist alles so … unfassbar!«
Sie lehnte sich an das Holz und starrte auf die feiernden Massen. Langsam schien sie ihre Sinne wieder aufgeklaubt und in die richtigen Regale im Hirn geräumt zu haben. »Es ist alles genau so, wie es die eddischen Texte beschreiben: die vielen Tore, das Dach aus Schilden und Speeren, Odin mit seinen Wölfen Geri und Freki, Hugin und Munin … Moment mal, saßen da vorhin nicht auch zwei Raben direkt neben euch?«
Mara nickte. »Ja, das sind dieselben. Die haben mir auch die Kraft ausgeliehen, damit ich Sie hierher bringen kann und wir uns so Diskussionen sparen.«
»Ich weiß gar nicht, ob wir uns damit Diskussionen sparen oder verhundertfachen«, sagte die Archäologin, und Mara fiel einmal mehr auf, wie viel sie mit ihrem Exmann Professor Weissinger gemeinsam hatte. Wie seltsam eigentlich, dass die beiden es nicht miteinander ausgehalten hatten. Gut, der Professor hatte argumentiert, dass genau diese Gemeinsamkeiten das Problem ausgemacht hatten. Aber Mara konnte sich nicht vorstellen, wie zu viele Gemeinsamkeiten einen Scheidungsgrund ergeben konnten. Bei Mama und Papa war es schließlich das genaue Gegenteil gewesen. Wenn die beiden diskutiert hatten, wirkte das auf Mara immer so, als würde jeder nur in sein eigenes privates Universum hineinreden. Ohne Wurmlochverbindung. Da
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