Mara und der Feuerbringer
zertrampelt zu werden, entschieden geringer.
Zwischen mehreren tiefen Schnaufern stieß nun der Professor endlich ein paar Worte hervor: »Lass uns ein andermal darüber reden, wie wir hier gelandet sind. Mir reicht erst mal die Erkenntnis, dass es ist, wie es ist, und dass du das anscheinend mit voller Absicht getan hast.«
Mara fühlte sich sofort schuldig. Immerhin hatte sie damit nicht nur sich selbst, sondern auch ihn in Lebensgefahr gebracht! Aber da erschien ein breites Grinsen im Gesicht des Professors und er rief: »Nur damit das klar ist, ich bin dir dafür außerordentlich dankbar, Mara Lorbeer.« Er breitete die Arme aus, als wolle er die gesamte Umgebung umarmen, und rief übermütig in die tosende Gischt hinaus: »Denn welcher Wissenschaftler wollte nicht persönlich anwesend sein bei
Thors Fischzug
!«
Dann lachte er so lang anhaltend und laut, dass Mara kurz dachte, der Professor wäre verrückt geworden. Doch das war nicht der Fall. Professor Weissinger war einfach nur unglaublich begeistert, und man spürte diese feine Prise Hysterie auch wirklich nur, weil sich beim Lachen seine Stimme so seltsam überschlug, als würde er das Jodeln üben.
Zwischen zwei mühsam unterdrückten Kicherern schlug der Professor vor, eine Stelle aufzusuchen, die etwas mehr Schutz bot vor Wind, Wetter und eventuellen Blicken der Bootsinsassen. Er zeigte nach rechts in den Nebel und lief los. Mara folgte dicht hinter ihm, während sie darauf achtete, nicht auf dem feuchten Holz auszurutschen.Nun sah sie auch, worauf sie liefen: Es war wohl eine Art Ruderbank, die die beiden Seiten des Kahns miteinander verband.
Allerdings hatte diese Bank die Dimensionen einer Autobahnbrücke und so dauerte es ein paar Minuten, bis sie ihr Ende erreicht hatten. Hier war die Bank am Rand des Kahns montiert und die haushohe Bootskante bot tatsächlich etwas mehr Schutz vor Wind und Wetter. Außerdem mussten die beiden nicht mehr so stark brüllen, um sich zu verständigen.
»Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass Ihnen was passiert!«, sagte Mara zerknirscht.
Doch der Professor winkte ab. »Mach dir darüber keine Gedanken! Das war die einzig sinnvolle und zugleich direkteste Weise, mir zu zeigen, um was es hier eigentlich geht. Egal, wie du das machst oder woher es kommt – ich kann und will jetzt nicht mehr bestreiten, dass ich sehe, was ich sehe. Und damit sind wir doch schon einen großen Schritt weiter, oder nicht?«
Mara atmete erleichtert auf. Es hatte tatsächlich geklappt! Na, dann konnten sie ja genauso gut wieder von hier verschwinden. Denn was es mit
Thors Fischzug
auf sich hatte, ließ sich Mara lieber im warmen Büro bei einem Becher Gruselkakao erzählen als auf einem riesigen Kahn, wo zwei Riesen mit einem Kuhkopf fischten.
Doch leider stellte Mara nun zwei Dinge fest: Erstens, dass das nicht so einfach war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Und zweitens, dass sie es sich
gar nicht
vorgestellt hatte. Sie war völlig darauf fixiert gewesen, zusammen mit dem Professor hier zu landen, aber an die Rückreise hatte sie keine Gedanken verschwendet.
Mara sah den Professor an, der sich nach wie vor begeistert umsah. Er wirkte, als wolle er alles, was ihn umgab, für immer und ewig im Gedächtnis behalten und als sei ihm kein Detail zu unwichtig. Im Moment betastete er die gigantischen Holzplanken, aus denen der Kahn gebaut war, und kicherte wirklich nur sehr leise.
Okay, ich hab es mit Gewalt gestartet, dann kann ich es so vielleicht auch wieder beenden, dachte Mara.
Also holte sie tief Luft und stemmte sich mit aller Kraft gegen die Vision. Aber schon nach wenigen Sekunden musste sie erschöpft aufgeben. Vielleicht wegen dem anstrengenden Aufstieg? Und langsam machten ihr auch die klammen, durchnässten Klamotten zu schaffen, die an ihr zerrten wie ein Tauchergürtel. Maras Atem ging schwer und stoßweise und sie musste sich an die Bordwand lehnen, um nicht umzukippen.
»Was ist denn mit dir, Mara?«, fragte der Professor. »Geht es dir nicht gut?«
»Doch, doch, geht schon«, antwortete sie tapfer. »Aber ich glaube, ich hab nicht … ich meine,
noch
nicht … die Kraft, um das hier zu beenden.« Dass sie im Moment gar nicht wusste, ob es wirklich daran lag, verschwieg sie lieber. »Vielleicht warten wir noch ein bisschen, wenn das für Sie in Ordnung ist?«
Der Professor lachte. »Aber natürlich, Mara, ruh dich erst mal aus. Ich kann dich beruhigen. Ich weiß, wie die Geschichte ausgeht, und sie endet nicht mit
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