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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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sonderbar. Ich sah auf den Kalender. Mittwoch, 5. April. Also hatte er
schon die monatliche Zahlung erhalten. Deswegen hatte er auch meinen Vorschlag,
an meinem „Artikel“ mitzuverdienen, verächtlich und etwas hochmütig abgelehnt.
Und daß es sich dabei um ein leeres Versprechen gehandelt hatte, konnte er
schließlich nicht ahnen. Folglich war er heute morgen bestimmt nicht mit der Absicht zu Cabirol gegangen, etwas zu versetzen. Damit
wollte er nur von dem wahren Grund für seinen Besuch ablenken.
    Ich rief noch einmal Hélène an:
    „Ich brauch Zavatters Hilfe,
mein Schatz. Falls er ins Büro kommt, sagen Sie ihm, er soll mich sofort
anrufen.“
    Eine Stunde später meldete sich
mein elegantester Mitarbeiter.
    „Hab ich bei Ihnen immer noch
Kredit?“ fragte ich ihn. „Äh...“
    „Gut. Ich hab Arbeit für Sie.
Vielleicht springt was dabei raus, vielleicht auch nicht. Kommt auf einen
Versuch an.“
    „Dann mal los. Was muß ich
tun?“
    „Beschatten. Einen gewissen
Maurice Badoux...“
    Ich beschrieb den jungen Mann,
gab seine Adresse durch usw.
    „Maurice Badoux?“ fragte Roger
Zavatter. „Den Namen hab ich schon mal gehört.“
    „Sie haben ihn in der Zeitung
gelesen. Macht uns Konkurrenz. Findet Leichen.“
    „Ach ja! Die Sache in der Rue
Francs-Bourgeois?“
    „Genau die.“
    „Gut. Besondere Anweisungen?“
    „Keine. Sie folgen ihm, mehr
nicht. Fragen Sie mich nicht, warum. Ich weiß es selbst nicht. Ist so, als
kauften wir ein Lotterielos.“
    „Ach ja? Hm...“
    „Einige gewinnen...“
    „Wollen hoffen, daß wir die
Spesen wieder reinkriegen“, brummte er. „Na gut, ich geh an die Arbeit.“
    „Mündlicher Bericht morgen
nachmittag, oder sobald es was zu berichten gibt.“
    „Jaja. Wiedersehn.“
    „Wiedersehn.“
    Das war alles für heute.

Die Spur der
Polizei
     
    Am nächsten Tag trat Direktor
Nestor Burma ins Büro der Agentur Fiat Lux. Hélène Chatelain war liebenswürdig
wie immer, so als schuldete ich ihr nicht zwei Monatsgehälter. Mit einer Treue,
die einen besseren Laden verdient hätte, hielt sie die Stellung und wartete
gelassen auf Kundschaft. Die potentiellen Klienten wußten gar nicht, was ihnen
entging, wenn sie unserer Agentur fernblieben. Dafür wußte ich umso besser, was mir dabei entging.
    „Nichts Neues?“ fragte ich
gewohnheitsmäßig nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten.
    „Nichts“, antwortete Hélène.
„Lind Ihre Erkältung?“
    „Falscher Alarm... A propos
Erkältung: hab Grossais angepumpt, den Arzt. War dringend nötig... Soll ich
Ihnen schon mal zehntausend geben?“
    „Gerne... Sie haben was in Gang
gebracht?“
    „Woher wissen Sie das?“
    „Von Zavatter.“
    „Ist nur ‘ne Möglichkeit.
Vielleicht kommt nichts dabei raus.“
    „Hat was mit dem Mord an diesem
Cabirol zu tun, hm?“
    „Entfernt...“
    Sie fragte nicht mehr weiter.
Danach plauderten wir noch über dieses und jenes, nur nicht über Onkel Samuel.
Der war so langsam allen — oder fast allen — scheißegal. Von den zehn
Zeitungen, die ich beim Frühstück durchgesehen hatte, unterhielten nur noch
drei ihre Leser mit dem plötzlichen und bedauernswerten Ende des Pfandleihers.
Sie schrieben aber auch nichts Neues. Walzten nur die Artikel vom Vortag weiter
aus. Von Anfang an schienen die polizeilichen Ermittlungen auf der Stelle zu
treten. Aber ich hatte Faroux und seine Leute in Verdacht, mehr zu wissen, als
sie Zugaben. Einige Besonderheiten waren doch bestimmt nicht den Augen der
Flics entgangen, die doch daran gewöhnt sind, alles auf den ersten Blick
mitzukriegen. Oder aber man mußte sich ernsthaft überlegen, wozu das Budget der
Polizei nütze war.
    Ich mußte allerdings nicht
lange überlegen.
    Als unser Gespräch so gegen elf
Uhr erlahmte, wurde es von einem Besucher wieder belebt: Florimond Faroux
persönlich, mit seinem Schnurrbart, den großen, gespielt strengen Augen und dem
verbeulten schokoladenbraunen Schlapphut, der farblich gar nicht zu dem
Regenmantel paßte.
    Der Kommissar war alleine.
Schien gutgelaunt. Mir war’s recht.
    „Salut, ihr Lieben“, sagte er.
    Er nahm seinen Hut ab und gab
Hélène die Hand. Als ich an der Reihe war, setzte er ihn wieder auf.
    „...Haltet ihr Kriegsrat?“
fragte er.
    „Dafür bin ich zu friedlich“,
antwortete ich. „Wir warten nur darauf, daß sich ein Klient hierher verirrt.“
    „Um ihn dann von hinten
anzufallen?“
    Ich zuckte die Achseln:
    „Finden Sie sich besonders
schlau?“
    „Und Sie?“

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