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Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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mittendurch preschte. Er sah ihre roten Köpfe, die weit aufgerissenen Münder, als sie auseinanderstoben. Er schloss kurz die Augen, dachte schon, er hätte es geschafft, als er den Schlag hörte. Der Spiegel hatte eine der Frauen am Kopf erwischt.
    Für einen Moment stockte Walde der Atem.
    »Mach’, gib Gas«, kam es vom Beifahrersitz.
    Das Motorrad bog in die Allee ein. Walde trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Der Transporter reagierte nur träge.
    »Noch zwei Minuten!«, rief Gabi. Nervös rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her.
    »Die Kiste gibt nicht mehr her.«
    An der Ecke zur Lindenstraße war eine Straßensperre aufgebaut. Gabi und Walde sahen, wie Harry abbremste und dann mit dem Stiefel eine Schranke zwischen zwei Polizeiwagen zur Seite trat.
    Waldes Gedanken überschlugen sich. Was, wenn die Bombe in der Kurve vom Wagen stürzte? Er schaltete zurück. Die Schranke lag zwischen zwei Streifenwagen. Das war zu eng. Der Transporter passte hier niemals durch. Vorne schaute Harry sich um.
    »Vollgas!«, schrie Gabi und stützte sich mit beiden Händen am Armaturenbrett ab.
    Walde wurde mit der Brust gegen das Lenkrad katapultiert, als der Wagen links und rechts gegen die Kotflügel krachte. Die Polizeiwagen wurden zur Seite gedrückt.
    »Steht der Kasten noch?«, rief er.
    »Noch eine Minute, zwanzig.«
    Vor ihnen hatte Harry wieder Fahrt aufgenommen.
    »Wo fahren wir überhaupt hin?«, rief Gabi.
    »Zurlauben, Mosel.« Er sah, wie Harry sich bemühte, den Verkehr auf der Uferstraße anzuhalten. Sie rasten durch. Ein von rechts heranbrausender Wagen war zu schnell. Der Fahrer wich Harrys Motorrad aus, verlor die Kontrolle über das Auto, das nun quer über die Fahrbahn auf den Transporter zuschlitterte, nach rechts ausbrach und gegen die Ampel krachte.
    »Fünfundvierzig!«
    Der Wagen nahm hart den hohen Bordstein vor dem Moseldamm und pflügte durch die Fahrräder, die neben der Freiterrasse abgestellt waren. Walde bremste ab, bevor sie den steilen Hang zum Moselradweg hinunterrollten.
    Von rechts trippelte ein Läufer heran. Ein uralter Mann. Walde sah den Tunnelblick: Sterben oder Ziel. Bremsen war nicht mehr möglich. Sie schlitterten den Hang hinunter. Der Wagen setzte auf den Asphalt auf. Walde riss das Steuer herum. Der M 80-Läufer blieb unvermittelt stehen, begriff nicht, was da passierte. Er starrte dem herannahenden Wagen entgegen. Dann packte ihn sein Überlebenswille. Walde trat auf die Bremse, zog gleichzeitig die Handbremse. Der Alte machte einen Hechtsprung. Der Wagen rutschte auf das letzte Grasstück dicht am Wasser.
    »Raus!« Walde riss seine Tür auf.
    Beide kugelten über die Wiese. Unten platschte der Wagen in die Mosel.
     
    Walde raffte sich hoch. Der Wagen trieb langsam hinaus. Gabi kam ebenfalls auf die Beine. Sie kletterten den Hang hoch.
    »Runter, alles auf den Boden, Polizei!« Oben, von der Terrasse eines Restaurants, schrie Harry. Als die Leute nicht reagierten, riss Gabi ihre Pistole heraus und schoss in die Luft. Es folgten Schreie, Glas splitterte, Stühle fielen krachend um. Leute kamen auf sie zugelaufen. Walde fischte seine Waffe aus dem Futteral. Er sah nach unten, wo der Wagen auf dem Wasser dümpelte.
    »Geh unter! Geh doch unter!«, schrie Walde und ballerte dabei in die Luft.
    Hinter ihm gluckste es. Dicke Luftblasen stiegen auf. Walde ließ sich zu Boden fallen. Eine dumpfe Explosion, sie schien aus dem Erdinneren zu kommen, übertönte das Gekreische. Ihr folgte ein riesiger Wasserschwall, der sich über die Terrasse ergoss.
     
    Das erste, was Walde wieder wahrnahm, war der Geruch von fauligem Moselwasser. Nur Harry und Walde hatten sich erhoben. Die übrigen Gäste lagen auf dem Boden, als wäre das jüngste Gericht über sie gekommen.
    Weit draußen an der Oberfläche des Flusses setzten sich die Wellen der Eruption fort. In Ufernähe war die Mosel von Trümmern übersät. Immer noch tauchten welche auf. Dahinter, auf der Moselinsel, hingen orangefarbene Fetzen an den Bäumen.
    Wasser lief die Hänge hinunter. Unten auf dem Leinpfad bewegte sich etwas. Jemand richtete sich auf. Walde rieb sich die Augen. Die Person setzte sich in Bewegung, vorsichtig einen Schritt vor den anderen setzend. Es war der alte Mann, den er vorhin um ein Haar überrollt hätte. Während Walde noch überlegte, ob er ihm folgen sollte, entfernte sich der Läufer immer weiter im Schlappschritt, nur einen Tick schneller als in Zeitlupe. Walde blickte wieder zur Mosel. Was er für

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