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Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Innenstadt strömenden Besucher hatten die Neustraße in Beschlag genommen. Durch die schmale Gasse, die sie in der Mitte freigelassen hatten, quälten sich Läufer, die nun bereits fünf Stunden unterwegs waren, Richtung Ziel. Es herrschte eine Enge wie beim Anstieg nach Alpes d’Huez, nur dass die Zuschauer weniger Enthusiasmus zeigten. Für Harrys schwere Maschine war kaum ein Durchkommen. Einige der Läufer reagierten nicht einmal mehr, als Harry nach vergeblichem Hupen das Martinshorn aufheulen ließ.
    Als sie zum wiederholten Mal zum Stillstand kamen, stieg Walde ab.
    Er wollte losspurten, aber sein Körper streikte. Zuerst war nur ein Humpeln möglich. Erst ganz allmählich kam er wieder auf Touren. Bis zur Brotstraße konnte er sein Tempo so weit steigern, dass er die anderen Läufer wie Slalomstangen beim Ski umkurvte. Ein grünes Trikot mit weißer Aufschrift kam in Sicht. Waldes Atem wurde immer schneller, aber er kam näher. Jetzt konnte er erkennen, was auf dem grünen Trikot stand: M01JEN.
     
    Sein Vordermann überholte eine Gruppe von Läufern und war nicht mehr zu sehen. Leute klatschten Walde vom Straßenrand aufmunternd zu. Jetzt musste er alles auf eine Karte setzen, seine letzten Reserven in einen lang gezogenen Spurt legen. Seine Atmung verlor den Rhythmus. Längst benötigte sein Körper mehr Sauerstoff, als er ihm zuführen konnte. Steffens nannte diesen Zustand Sauerstoffschuld. Wenn das so weiterging, wuchsen die Schulden dermaßen, dass er bald Konkurs anmelden musste.
    Links huschte die Konstantinstraße vorbei. Zu Sambarhythmen tanzende Frauen ließen ihm nur eine schmale Gasse. Sie hatten ihre bunten Kleider vorn bis über die Oberschenkel hochgerafft.
    Der Abstand zu Armand betrug keine zehn Meter mehr. Ausgangs der Brotstraße standen die Leute nun schon in mehreren Reihen hintereinander. Nur die großen Pfützen auf dem Pflaster erinnerten noch an das Unwetter.
    Walde japste nach Luft, seine Schultern ruderten im Takt der Beine. Sein Laufstil ähnelte dem eines Menschen, der über etwas gestolpert war und nun verzweifelt vorwärts taumelte, um den drohenden Sturz abzufangen. Der Schweiß lief ihm von der Stirn in die Augen. Er wischte mit dem nassen Unterarm darüber.
    Der Abstand betrug höchstens noch fünf Meter. Sein Vordermann lief gerade und gleichmäßig. Walde konnte nur noch hoffen, dass er sich von der Menge nicht zu einem Endspurt hinreißen ließ.
    Vorne tauchte der Hauptmarkt auf. Hier begann die etwa dreihundert Meter lange, von Absperrgittern gesäumte Zielgerade mit dem größten Besucherandrang.
    Nur noch wenige Meter. Waldes Kopf glühte. Anfangs der Simeonstraße trennte ihn noch eine Armlänge von dem Verfolgten. Sie liefen geradewegs auf die Porta Nigra zu.
    »Ar …«, Walde räusperte sich. »Armand!«
    Ein Zuschauer im Trainingsanzug hangelte sich über das Gitter. Er trat gestikulierend auf die Straße und zeigte aufgeregt auf Walde.
    »Der hat geschummelt!« Der Mann stellte sich ihm in den Weg. »So geht das nicht, wir haben uns alle ehrlich geplagt, da …«
    Walde versuchte, um ihn herum zu laufen. War das der Läufer aus der Hecke?
    Von einem allgemeinen Aufschrei begleitet, rammte Walde ihn mit der Schulter zur Seite. »T’schuldigung.«
    Walde geriet ins Stolpern. Der Abstand hatte sich wieder vergrößert. Er war am Ende, seine Lungen fiepten. Barthels Lautsprecherstimme an der Porta Nigra übertönte das Klatschen, die Zurufe und das Palaver der Menschen von den dicht an dicht stehenden Verpflegungsbuden. Walde kämpfte sich weiter, durch Zigarettenrauch, Schwaden von Gegrilltem und den Geruch von verschüttetem Bier. Es brummte, knatterte, die Leute ringsum schrien auf. Sein Vordermann blieb unvermittelt stehen. Walde torkelte auf ihn zu, konnte nicht mehr abstoppen, legte beide Hände auf die Schulter des Läufers.
    »Tschuh is Schünder.« Es ging nicht deutlicher. Walde beugte sich nach vorn und keuchte. Mit einer Hand hielt er sich immer noch an dem grünen Trikot fest, deutete mit der anderen auf den Schuh des Mannes. Der schaute ihn nicht einmal an, sondern starrte nach vorn. Walde folgte seinem Blick. Da stand ein Polizeimotorrad quer zur Laufstrecke. Unter dem weißen Helm kam Harrys grinsendes Gesicht hervor. In lässigem Ton sagte er zu dem Luxemburger Läufer: »Ihre Schuhe, bitte!«
    *
    Der Nebel um Grabbes Wahrnehmung lichtete sich immer mehr. In den zwei Maskierten erkannte er die Spezialisten aus dem Team des LKA, die ebenfalls die

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