Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
Vom Netzwerk:
vorher?   
    Sie dachte an
Stahlinger, sah sie vor ihrem geistigen Auge auf und ab gehen.
»Das Finden der Leiche gehört zum Plan.« War es
das nun? War Höllerbach der Abschluss einer Serie. Es sah
nicht so aus. Und der Fundort? Unter normalen Umständen
wäre er am Freitag entdeckt worden, doch weil es den ganzen
Tag in Strömen geregnet hatte, war kein Kind des Kindergartens
in dieses dumme Holzhaus geklettert.
    »Er ist noch
nicht fertig. Es fehlt der Abschluss«, zitierte sie die
ungeliebte Psychologin. »Das hier ist kein
Abschluss.«
    Ihr Handy klingelte.
Aufgeregt meldete sich Chrischilles.
    »Wir haben diese
Mona gefunden. Monika Wengler.«
    Remmer legte wortlos
auf, kletterte über das niedrige Eingangstor der
Kindergartenanlage und lief mit schnellen Schritten zurück zum
Auto. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 9 Uhr 30. Sie hatte das
sichere Gefühl, dass sie sich beeilen
musste.      

38
    Jeder schien hier mit
sich selbst beschäftigt. Menschen in Rollschuhen fuhren
vorbei, andere versuchten sich zu entscheiden, ob sie nun mit
Mülltüte als Regenschutz oder ohne das Rennen antreten
sollten. Der Regen hatte schon vor Stunden aufgehört, doch
nicht jeder traute der Wetterprognose, die tatsächlich
für den großen Tag sogar ein bisschen Sonne
angekündigt hatte. Zumindest sollte es trocken
bleiben. 
    Ein witziges Bild,
dachte Asis Kusnezow, als die in blaue Tüten gewandeten
Inliner an ihm vorbeizogen. Marathonläufer waren noch keine
unterwegs, während sich die Rollschuhfahrer auf den Start
vorbereiteten. Zuschauer hatten sich noch wenige eingefunden.
Kusnezow hatte das Gefühl, völlig unbeobachtet den
Bauzaun in der Nähe des Krans wegrücken zu können.
Das Gewehr befand sich zerlegt in einem kleinen Rucksack, den er
auf dem Rücken trug. Er kletterte durch den schmalen Spalt
zwischen den beiden Zaunelementen, sprang, ohne sich umzusehen,
über ein paar herumfliegende Bretter und stand nur Sekunden
später unter dem großen Kran. Er ließ seinen Blick
über das Baufeld und die Straße wandern, auf der hinter
dem Bauzaun die Inliner zum Startbereich zogen. Keiner schien ihm
Aufmerksamkeit zu schenken. Vor ihm lag der mühsame Aufstieg
über eine Sprossentreppe, die sonst nur für Notfälle
und Aufzugausfälle vorgesehen war.
    Kein Grund zu jammern.
Es gibt Schlimmeres, dachte er und begann mit dem
Aufstieg.
    Schon nach wenigen
Metern veränderte sich die Welt um ihn herum. Er hatte das
Gefühl, der Wirklichkeit zu entsteigen. Die Menschen am Boden
wurden immer kleiner, das Gewusel im Startbereich, den er nun
einsehen konnte, wirkte künstlich, bald wie für einen
Film am Computer animiert. Er bekam Lust, den ganzen Kran
hochzuklettern, sich in das Häuschen des Kranführers zu
setzen und dort seinen Auftrag zu vergessen. Doch über solche
Dinge dachte er nur kurz nach, dann hatte er sich wieder unter
Kontrolle.
    Er erreichte die erste
der vier Streben, mit denen der Kran am Hochhausrohbau befestigt
war. Auf allen vieren kroch er in Schwindel erregender Höhe
langsam über den Stahlträger in den dreiundzwanzigsten
Stock des Hauses. Ein paar Holzbretter sollten den Bauarbeitern das
Gefühl von Sicherheit vermitteln. Er kletterte über die
Absperrung und freute sich über den sicheren Betonboden unter
sich. Er zog ein kleines, aber leistungsfähiges Fernglas aus
der Tasche und untersuchte die Umgebung. Die Aussicht war schon auf
diesem Stockwerk spektakulär schön. Die Kölner
Altstadt und die Domtürme lagen wie gemalt auf dem anderen Rheinufer.
Schiffe schipperten vorbei, während sich ein paar
Sonnenstrahlen den Weg durch die Wolkendecke bahnten. Kusnezow
musste sich von der Aussicht auf der westlichen Seite des Turms
wegreißen, um die Lage im Start- und Zielbereich des
Marathons zu prüfen. Die Rollschuhläufer waren zu weit
weg. Daran änderte auch der Blick durch das Fernglas nichts,
das ungefähr der Stärke des Zielfernrohrs seines Gewehrs
entsprach. Also musste er doch auf das Dach des vorgelagerten
Bürogebäudes, um besser zielen zu können. Das gefiel
ihm nicht, weil es seinen Fluchtweg deutlich verlängerte. Er
hoffte, dass es auf dem Dach einen unverschlossenen Zugang zum
Gebäude geben würde.
    Er drückte die
Stoppuhr seiner Armbanduhr und ging los. Wie lange er für die
Leiter des Krans brauchte, wusste er. Jetzt wollte er die Zeit vom
dreiundzwanzigsten Stock des Hochhauses bis zum Dach stoppen. Er
lief langsam die Stufen im noch unfertigen Treppenhaus des Turms
hinunter,

Weitere Kostenlose Bücher